Silke Hubrig: Zappeln, hüpfen, balancieren – Bewegung in der Kita

© stock.adobe.com/Kneschke, Robert
Denken wir an Vorschulkinder, so ist damit meist auch die Vorstellung von Bewegung verbunden: Kinder, die vor Freude und Aufregung auf der Stelle hüpfen, im Morgenkreis auf dem Stuhl hin und her zappeln oder sich auch mal wütend auf den Boden werfen. Gerade beim Spielen auf dem Außengelände einer Kita wird der Bewegungsdrang der Kinder deutlich. Sie rennen und springen, erproben sich an den Geräten, verstecken sich im Gebüsch, fangen sich gegenseitig, spielen galoppierende Pferde, transportieren Sand in Schubkarren, werfen Bälle... Freispiel, bei dem die Kinder sich nicht bewegen, ist kaum denkbar. Ein hohes Maß an Bewegung ist Bestandteil der kindlichen Welt, denn der große Bewegungsdrang ist jedem Kind angeboren.

Bewegung fördert die gesamte kindliche Entwicklung

Das Bedürfnis nach Bewegung ist in keiner Lebensphase so groß wie in der frühen Kindheit. Und das ist kein Zufall: Fühlen, Denken, Wahrnehmen und Bewegen sind stets miteinander verknüpft. Das Kind erforscht seine Umwelt durch Wahrnehmung und Bewegung. Es krabbelt zum Sofa und zieht sich daran hoch oder greift ein Seidentuch und merkt, wie viel bzw. wenig Kraft es jeweils aufwenden muss. Bewegungserfahrungen lassen das Kind seine Kompetenzen spüren. So ist es zum Beispiel stolz, wenn es "mit ohne Festhalten" selbstständig Rollschuhlaufen kann. Daneben spürt es vielleicht seine Grenzen, wenn ihm der Anschwung auf der Schaukel einfach noch nicht gelingen will. Diese Selbst- und Körpererfahrungen tragen zum Selbstbewusstsein und zum Aufbau eines realistischen Selbstkonzepts bei.

Bewegung ermöglicht es einem Kind auch, mit anderen zu kommunizieren. Ein Krippenkind schubst ein anderes, um mit ihm in Kontakt zu kommen. Zwei Kinder nehmen sich an die Hand und rennen zusammen über den Hof. Gemeinsame Spielen gehen meist mit Bewegung einher: zum Beispiel bekannte Gruppenspiele wie Fangen, Ballwerfen oder Verstecken. Das gilt auch für weniger großmotorische Tätigkeiten wie gemeinsam einen Turm aus Lego bauen oder Memory spielen. Die Kinder machen dabei grundlegende soziale Erfahrungen und haben die Chance, soziale Regeln einzuüben. Darüber hinaus trägt regelmäßige, vielfältige Bewegung zur körperlichen und seelischen Gesundheit bei. Dabei werden die koordinativen Fähigkeiten eingeübt, die Muskeln gekräftigt, die Beweglichkeit beibehalten und das Herz-Kreislauf-System sowie der Stoffwechsel angeregt. Durch Bewegung werden psychische Spannungen abgebaut, das Kind entwickelt Stolz auf seine motorischen Fähigkeiten, baut ein positives Körperbild auf, kann sich dabei kreativ ausdrücken u.v.m. (Hubrig 2018, S. 19ff.).

Viele Kinder bewegen sich zu wenig

Aktuelle Studien belegen: Viele Kinder bewegen sich nicht ausreichend. Vor allem in der Stadt unter beengten Wohnverhältnissen, viel Straßenverkehr und wenig Naturplätzen wird der natürliche Bewegungsdrang der Kinder eingeschränkt. Das spielerische Bewegen ist vor allem auf dafür vorgesehenen Spielplätzen, die vorgeplant sind und in Begleitung Erwachsener aufgesucht werden müssen, erwünscht. Daneben gibt es weitere organisierte Bewegungszeiten, wie etwa die Turnstunde im Sportverein. Dem spontanen Ausleben der Bewegungslust sind jedoch Grenzen gesetzt. So sind zum Beispiel das Fußballspielen im Park, spontanes Rennen auf der Straße oder das geräuschvolle Herunterspringen der Treppe in einem Mehrparteienhaus in aller Regel untersagt. Doch: Bewegungsmangel kann psychische und physische Entwicklungsbeeinträchtigungen mit sich bringen. Und Krankheitserscheinungen wie Übergewicht treten vermehrt auf.

Die bewegungsfreundliche und bewegungsfördernde Kita

Vorschulkinder können ihr Bewegungsbedürfnis nicht auf bestimmte Zeiten und festgelegte Orte reduzieren. Das kindliche Bedürfnis nach Bewegung sollte so in den gesamten Kita-Alltag integriert sein. Dazu gehören vielfältige Bewegungsgelegenheiten, und das Ausleben des Bewegungsdrangs sollte bei den pädagogischen Fachkräften positiv besetzt sein. Neben spezifischen Angeboten wie der traditionellen Turnstunde sollten vor allem die Räumlichkeiten und das Außengelände der Kita zu Bewegung einladen – durch Gestaltung und Ausstattung, die allen Kindern selbstständiges, fantasievolles, gefahrloses, vielfältiges Bewegen ermöglichen. Bewegungsfreundlich und praktisch ist ein separater Bewegungsraum in der Kita, den die Kinder eigenständig nutzen können. Ist diese Möglichkeit nicht gegeben, lassen sich auch im Gruppenraum Bewegungsmöglichkeiten schaffen. Dabei können Tische, Stühle und Bänke "zweckentfremdet" werden: ein Podest zum Hinaufklettern und Herunterspringen, eine schiefe Ebene zum Hinaufziehen und Herunterkullern, eine Hängematte zum Schaukeln, eine Bank zum Balancieren, ein gesichertes Trampolin in einer Ecke zum Hüpfen. Auch der Flur kann als Bewegungsfläche genutzt werden. Dort stehen den Kindern Rutscheautos und Laufdosen zur Verfügung oder auch Materialien, die beim Einsatz viel Raum benötigen, wie etwa das Spiel mit Schwungbändern. Auch der (große) Eingangsbereich sollte den Kindern als Bewegungsfläche im Freispiel zugänglich sein. Eine fest installierte Sprossenwand, Matratzen zum Hüpfen, große Pappkartons und Reifen können hier Impulse für Bewegungsspiele geben. Auch Treppen können zu Bewegungsgelegenheiten werden. So kann eine Matte am unteren Ende dazu einladen, von den letzten Stufen hinunterzuspringen. Wird am Geländer ein Seil befestigt, können sich die Kinder daran "die Treppe hochziehen".

Grundsätzlich gilt: Die Bewegungsarrangements müssen so gestaltet sein, dass die Kinder sie gefahrlos und unabhängig von der Hilfe Erwachsener nutzen können. Um dies zu realisieren, führen die pädagogischen Fachkräfte bestimmte Spielzonen ein; sie erläutern den Kindern die Sicherheitsregeln, die für alle verbindlich sind. So müssen zum Beispiel alle Kinder wissen, dass man sich ein Seil nicht um den Hals legen darf oder es verboten ist, sich auf ein Rollbrett zu stellen. Andere Regeln – z.B. "Es darf immer nur ein Kind auf dem Trampolin sein" – können mithilfe eines Symbols kindgerecht verdeutlicht werden.
Zum kreativen Spielen und Bewegen bieten sich neben den gändigen Großgeräten (Weichbodenmatte, Kasten, Turnbank) und Bewegungsmaterialien (z.B. Reifen und Bälle) auch Alltagsmaterialien an. Mit Papptellern, Fliegenklatschen, Bierdeckeln, Schuhkartons, Luftballons, Staubtüchern etc. lassen sich kreative Bewegungsideen und Spiele wunderbar entwickeln und durchführen. Vom "Luftballontennis" bis hin zum "Ticken mit der Fliegenklatsche" – alles ist möglich. Oft reicht es, dass die pädagogischen Fachkräfte die Ideen der Kinder aufgreifen und sie dann allen zugänglich machen.

Das Außengelände sollte so gestaltet sein, dass die Kinder Gelegenheiten zum Klettern, Rennen, Schaukeln, Rutschen, Wippen etc. haben. Rollschuhe, Roller, Laufräder sowie andere Roll- und Fahrgeräte gehören ebenfalls zur Ausstattung. Darüber hinaus kann das Außengelände naturnahe sinnliche Erfahrungen bieten, zum Beispiel unterschiedliche Untergründe wie Rasen, Steine oder Sand. Nischen, Hecken und Gebüsche zum Zurückziehen und Verstecken nutzen die Kinder gern für ihre Spiele.   

Angeleitete Bewegungsangebote in der Kita

Regelmäßige und angeleitete Bewegungsangebote sind ebenfalls Bestandteil einer bewegungsfreudigen Kita. Im Morgen- und Abschlusskreis bieten sich zum Beispiel (Sing-)Kreisspiele an, die mit Bewegung einhergehen. Gemeinsame Tänze oder Bewegungsgeschichten können ihren festen Platz im Kita-Alltag finden. Auch kurze oder längere Spaziergänge, zum Beispiel zu einem Spielplatz oder Park, sind gut in die Wochenplanung zu integrieren.
Oft besteht die Möglichkeit, dass die Kita zu bestimmten Zeiten die Turnhalle einer naghegelegenen Schule nutzen kann. In diesen Bewegungsstunden werden den Kindern in der Regel Gruppenspiele und das Erproben einiger Sportgeräte angeboten. Hier ist auch Gelegenheit zur Gestaltung von Bewegungslandschaften, die die pädagogischen Fachkräfte mithilfe unterschiedlicher Großgeräte planen und aufbauen. Die Kinder bewegen sich dann selbstständig in dieser Landschaft – ganz, wie sie möchten und können. Wichtig ist, die Arrangements so auszuwählen, dass jedes Kind mit seinen Fähigkeiten und Interessen motorische Erfolgserlebnisse und Freude am Bewegen haben kann.

Entspannung darf nicht fehlen

Bewegung und Entspannung gehören zusammen. Neben ihrem großen Bewegungsdrang haben Kinder auch ein angeborenes Bedürfnis nach Entspannung. An- und Entspannungsphasen werden sich so in der Kita abwechseln. Neben den Bewegungsflächen sollten den Kindern auch reizarme Rückzugsorte zur Verfügung stehen und passende Angebote zur Entspannung gemacht werden.


Quellen:
Hubrig, Silke: Bewegung in der Kita. Lehrbuch für sozialpädagogische Berufe. Köln, Bildungsverlag EINS GmbH, 3. Auflage, 2018.
Zimmer, Renate: Handbuch Bewegungserziehung – Grundlagen für Ausbildung und pädagogische Praxis. Freiburg, Herder Verlag, 2014.