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In den letzten Jahren sind viele Kinder mit Migrations- oder Fluchthintergrund in die Kitas gekommen. „Migranten und Migrantinnen“ sind keine homogene Gruppe. Alle Eltern sind so einzigartig wie ihre Kinder und unterscheiden sich u.a. nach der Dauer, die sie bereits in Deutschland leben, den Gründen, warum sie in Deutschland leben, ihrem Herkunftsland, ihrer Religionszugehörigkeit, der Familienstruktur, der Werte und Normen, Erziehungsmittel etc. - also ihrer Kultur.

Eltern aus nicht deutschen Kulturen und pädagogische Fachkräfte haben gemeinsam besondere Hürden zu meistern

Für Eltern und pädagogische Fachkräfte stellt die Sprachbarriere die größte Herausforderung im Rahmen der Elternarbeit dar. Die gängigen Formen, wie Elternabende oder Tür- und Angelgespräche, sind nicht „mal eben so“ durchzuführen, wenn unterschiedliche Sprachen gesprochen werden.
Neben der sprachlichen Barriere ist bei der Elternarbeit mit Familien aus anderen Kulturen, die noch nicht lange in Deutschland leben, auch zu bedenken, dass Eltern oft nicht genau wissen (können), was sich hinter der Institution Kindergarten verbirgt. Was machen ihre Kinder dort den ganzen Tag? Was wollen die Erzieher*innen von mir als Mutter oder Vater? Die Vorstellungen der Eltern über den Besuch einer Kita sollten geäußert werden, so dass die Fachkräfte sie ggf. „gerade rücken“ können. Viele Eltern, die noch nicht lange in Deutschland sind, stehen den pädagogischen Fachkräften der Kita möglicherweise misstrauisch,
verunsichert und ängstlich gegenüber. Dies hängt mit den Erfahrungen zusammen, die die Eltern in Deutschland bisher mit offiziellen Behörden gemacht haben.

Den Anfang der Erziehungs- und Bildungspartnerschaften kultursensibel gestalten

Durch die oben genannten besonderen Hürden, die Eltern und Fachkräfte vor eine Herausforderung stellen, ist es besonders wichtig, dass Fachkräfte und Eltern viel Zeit und Engagement investieren, um eine positive Beziehung aufzubauen. Es sollte darauf geachtet werden, dass sich alle Familien von Anfang an in der Kita willkommen fühlen. Beispielsweise können am Eingang Schilder mit „Herzlich Willkommen“ in allen Sprachen stehen, die in den Familien der Kita-Kinder gesprochen werden. Das ist ein erstes Zeichen an die Eltern, das nicht viel Aufwand bedeutet und eine große Wirkung haben kann. Alle Eltern-Infos sollten in verschiedenen Sprachen ausliegen bzw. aushängen. Für Elterngespräche sollte ggf. eine dolmetschende Person hinzugezogen werden. Das kann beispielsweise ein älteres Kind sein, ein/e Freund*in der Familie oder auch eine Person aus der Kita, welche die jeweilige Sprache beherrscht.
Im ersten Kontakt mit Eltern aus anderen Kulturen sollten die Eltern erfahren, welche Ziele und Aufgaben die Kita hat. Sie sollen wissen, wie ein Tagesablauf in der Kita aussieht und was auf ihr Kind und auf sie zukommt. Hilfreich ist dabei ein Rundgang durch die Kita. Um einen wirklichen Einblick zu bekommen, bieten sich „Schnuppertage“ für Mutter oder Vater und Kind in der Kita an. Aber nicht nur die Eltern sollten über die Kita informiert werden. Auch die pädagogische Fachkraft ist für eine gelingende pädagogische Arbeit mit Kind und Eltern darauf angewiesen, über die kulturelle Lebensweise der Familie und deren Migrationshintergrund informiert zu werden. Möglich ist auch ein klassischer Hausbesuch, der zum Aufbau einer positiven Beziehung und dem Verstehen der Kultur und Lebensweise des Kindes beitragen kann. Dabei sollten die Familien niemals dazu gedrängt werden. Eine ablehnende oder verhaltene Reaktion auf die Frage nach einem Hausbesuch
kann damit zu tun haben, dass die Eltern sich für ihre Wohnung oder Zimmer in Sammelunterkünften schämen.
All zu oft geht mit der Migration ein sozialer Abstieg einher.

Das Vertrauen der Eltern kann insbesondere durch einen kurzen Austausch beim Bringen und Abholen der Kinder ausgebaut werden.
Pädagogische Frachkräfte sollten immer daran denken, dass Elternteile, die sich in der deutschen Sprache nicht problemlos ausdrücken können, sich sicherlich nicht gerne an sie wenden. Sie sind darauf angewiesen, dass die Fachkraft auf sie zugeht. Möglicherweise berichtet die Fachkraft über das Kind oder zeigt dem Elternteil etwas Gestaltetes oder Gebautes des Kindes. Dieses zeigt auch eine große Wirkung, obwohl man dabei mit wenig gesprochener Sprache auskommen kann.

Sprachangebote für Eltern machen

Eltern, deren Erstsprache nicht Deutsch ist, wissen, dass gutes Deutsch sehr entscheidend für einen späteren schulischen und beruflichen Erfolg ihres Kindes ist. Deshalb halten sie es in der Regel für sehr wichtig, dass ihr Kind in der Kita Deutsch lernt. Im Interesse der Kinder ist es auch wichtig, dass ihre Eltern Deutsch sprechen können. Deshalb sollte die Kita gut vernetzt sein und Eltern in Deutschkurse im Stadtteil vermitteln können. Sinnvoll ist es, die Eltern immer wieder
zum Hospitieren einzuladen. Hier profitieren die Eltern- z.B. wenn sie im Morgenkreis deutsche Verse oder Fingerspiele erlernen, die sie zu Hause mit den Kindern sprechen können. Auch ein „Elterncafe“ als kommunikativer Treffpunkt in der Kita fordert und fördert das
Sprechen der deutschen Sprache.

Den kulturellen Hintergrund der Eltern berücksichtigen

Kultur bildet den Alltag ab. So hat jede Kultur eigene Regeln, Werte und Normen, Speisen oder Kleidung. Kultur ist damit eine Art System zur Orientierung.
Fachkräfte können nicht selbstverständlich davon ausgehen, dass Eltern aus anderen Kulturen die eigenen Werte, Normen und Erziehungsvorstellungen teilen. Die eigene Kultur ist nicht das Allgemeingültige auf dieser Welt ist. Manchmal ärgern sich Fachkräfte über bestimmte Einstellungen und Äußerungen einiger Familien, wie etwa dass ein Mädchen nicht mit zu den Ausflügen der Kita kommen darf.
Ein Blick durch die kulturelle Brille der Familie kann helfen, das Verhalten der Eltern aus ihrer Perspektive einzuordnen. Das heißt nicht, dass die Fachkraft das Verhalten dann gut finden muss, aber es ist ein Verständnis da und sie kann konstruktiver mit der Situation umgehen und mit den Eltern offener in Kontakt treten.
Auch alltägliche kulturelle Missverständnisse können durch einen Blick durch die kulturelle Brille oft vermieden werden. So gibt es beispielsweise Menschen bestimmter Kulturkreise, die es als Affront erleben, wenn die Restsüßigkeiten, die das Kind zur eigenen Geburtstagsfeier mit in die Kita gebracht hatte, den Eltern beim Abholen wiedergegeben wird. Eltern aus anderen Kulturen würden darin kein Problem sehen oder sich sogar darüber freuen. Ein Verbot „unüblicher Speisen“ zum Frühstück in der Kita, wie gebackene Pommes, zeigt, dass der Blick durch die kulturelle Brille nötig ist. Schnell wäre klar, dass die wenigsten Kulturen auf unserer Welt Brot zum Frühstück essen. Ein weiteres Beispiel sind die ärztlichen Vorsorgeuntersuchungen der Kinder. Manche Eltern aus anderen Ländern kommen gar nicht auf den Gedanken, dass sie mit ihrem gesunden Kind zu einem Kinderarzt oder einer Kinderärztin gehen müssen und dass sie für diese ärztliche Leistung nichts zu bezahlen haben. (Vgl. Abdallah-Steinkopff, 2015). Wenn das Kind also nicht an den „U-Untersuchungen“ teilnimmt, bedeutet das nicht Ignoranz oder Desinteresse der Eltern ihrem Kind gegenüber, sondern vielmehr mangelnde Aufklärung über die Lebensverhältnisse in Deutschland. Einige geflüchtete Familien, die erst eine kurze Zeit in Deutschland sind, haben wenig Wissen über die in Deutschland bestehenden Werte, Normen und Gesetze.
Dass Kinder Rechte haben und Männer und Frauen gleichberechtigt sind, kann ihnen möglicherweise fremd sein.

Eltern in den Alltag der Kita einbinden

Eltern verschiedenster Kulturen sollten genauso wie die Eltern aus der deutschen Kultur eingeladen werden, um sich in das Kita-Leben einzubringen.
Es ist beispielsweise denkbar, dass Eltern der Kindergruppe Teile ihrer Kultur nahebringen. Dieses können z.B. Lieder, Tänze, besondere Musikinstrumente,
Speisen, Fingerspiele oder Fotos aus dem Heimatland sein.
Die Eltern aus anderen Kulturen fühlen sich wertgeschätzt und angenommen. Möglicherweise führt es zu einem guten Eltern-Kita-Kontakt. Und für in Deutschland aufgewachsene Kinder und pädagogische Fachkräfte ist es eine Erweiterung des Horizontes und ein weiteres Kennenlernen des jeweiligen Kindes der engagierten Eltern.
Um die Eltern und Kinder aus anderen Kulturen gut in die Gruppe zu integrieren, ist es sinnvoll, Eltern-Kind-Nachmittage oder Abendveranstaltungen für Eltern so zu gestalten, dass alle Beteiligten untereinander in Kontakt kommen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder sich nachmittags oder am Wochenende verabreden, wird
dann größer. Die Hemmschwelle für die Eltern anderer Kulturen und die Eltern aus der deutschen Kultur sinkt und sie kommen auch in den Bring- und Abholsituationen in der Kita möglicherweise leichter in Kontakt.

Fazit

Pädagogische Fachkräfte sollten Eltern mit einem nicht deutschen Hintergrund offen und neugierig begegnen.
Kulturen sind vielfältig und genauso wie bei deutschen Familien nicht alle gleich sind, so sind es Familien aus anderen Kulturen auch nicht.
Durch die Sprachbarrieren, Unsicherheiten und fehlenden Informationen über die deutsche Kultur braucht es Engagement und Zeit, um eine konstruktive
Erziehungs- und Bildungspartnerschaft aufbauen zu können. Im Kontakt mit den Eltern ist ihr kultureller Hintergrund zu berücksichtigen.
So können Verhaltensweisen und Meinungen besser verstanden werden. Pädagogische Fachkräfte haben bei der kultursensiblen Elternarbeit die Chance, über den Tellerrand der deutschen Kultur zu blicken und sich von anderen Kulturen dieser Welt bereichern zu lassen.
Quellen und Literatur:

  • Abdallah-Steinkopff, Barbara: Kultursensible Elternberatung bei Flüchtlingsfamilien (2015), abrufbar unter: https://www.nifbe.de/component/themensammlung?view=item&id=575&catid=58&showall=&start=1.de,
    Stand 15.11.2019
  • Schlösser, E.: Zusammenarbeit mit Eltern - interkulturell. Informationen und Methoden zur Kooperation mit
    deutschen und zugewanderten Eltern in Kindergarten, Grundschule und Familienbildung. Münster: Ökotopia 2004
  • Textor, Martin R.: Elternarbeit mit Migrant/innen. Abrufbar unter: https://kindergartenpaedagogik.de/fachartikel/elternarbeit/elternarbeit-mit-besonderen-zielgruppen/1438, Stand: 14.11.2019