Geringwertige Wirtschaftsgüter – Neue Wertgrenzen zum 1. Januar 2018
von Björn Flader und Dr. Susanne StobbeInhalt:
Zum 1. Januar 2018 hebt der Gesetzgeber die Wertgrenzen für die Sofortabschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter an. Der untere Grenzwert erhöht sich von 150 Euro auf 250 Euro, der obere Grenzwert von 410 Euro auf 800 Euro. Darüber hinaus ist die Wertgrenze für die Aufzeichnungspflicht von 150 Euro auf 250 Euro angehoben worden. Der Beitrag gibt einen Überblick über die Behandlung geringwertiger Wirtschaftsgüter unter Berücksichtigung der neuen Wertgrenzen.
Begriff der GWG
Bei geringwertigen Wirtschaftsgütern (GWG) handelt es sich um abnutzbare, bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die selbstständig nutzungsfähig sind und bestimmte Wertgrenzen nicht überschreiten (§ 6 [2, 2a] EStG). Zu den beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die der Abnutzung unterliegen, gehören die technischen Anlagen und Maschinen sowie die Betriebs- und Geschäftsausstattung eines Unternehmens. Sogenannte Trivialprogramme (Anwendersoftware sowie Computerprogramme mit Anschaffungskosten von nicht mehr als 800 Euro netto) gelten ebenfalls als bewegliche Wirtschaftsgüter (R 5.5 [1] EStR). Eine Zuordnung zum Anlagevermögen erfordert einen betrieblichen Verwendungs- oder Nutzungszeitraum der Wirtschaftsgüter, der sich erfahrungsgemäß über mehr als ein Jahr erstreckt.Selbstständige Nutzungsfähigkeit
Die selbstständige Nutzungsfähigkeit eines Wirtschaftsguts ist anhand seiner betrieblichen Zweckbestimmung zu beurteilen. Von einer selbstständigen Nutzungsfähigkeit kann nach R 6.13 [1] EStR nicht ausgegangen werden, wenn ein Wirtschaftsgut- nur mit anderen Wirtschaftsgütern gemeinsam genutzt wird,
- in seinem Nutzungszusammenhang mit anderen Wirtschaftsgütern als Einheit in Erscheinung tritt und
- mit anderen Wirtschaftsgütern technisch abgestimmt ist.
Beispiele für GWG
Als Beispiele für geringwertige Wirtschaftsgüter lassen sich aus dem unternehmerischen Bereich folgende Gegenstände nennen: Schreibtische, Schreibtischstühle, Bürocontainer, Schreibtischlampen, Telefone, Regale, Schränke, Beleuchtung, Kassen, Werkzeuge, elektrische Kleingeräte, Kisten, Paletten, Personal Computer, Laptops, Tablets, Multifunktionsgeräte (z. B. Drucker mit Kopier- und/oder Faxfunktion), Bücher, externe Datenspeicher und Trivialsoftware (H 6.13 EStR).Bewertung der GWG
Grundsätzlich können auch geringwertige Wirtschaftsgüter wie andere Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens aktiviert und über die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer planmäßig abgeschrieben werden. Das Steuerrecht räumt für die einzelnen Gruppen geringwertiger Wirtschaftsgüter jedoch alternative Wahlrechte ein. Dabei handelt es sich um- den sofortigen Betriebsausgabenabzug für Wirtschaftsgüter mit Anschaffungskosten bis 250 Euro,
- die Sofortabschreibung von Wirtschaftsgütern mit Anschaffungskosten über 250 Euro bis 800 Euro,
- die Bildung eines Sammelpostens für Wirtschaftsgüter mit Anschaffungskosten über 250 Euro bis 1.000 Euro.
Betriebsausgabenabzug
Geringwertige Wirtschaftsgüter mit Anschaffungskosten bis 250 Euro netto (297,50 Euro brutto bei 19 % USt) dürfen im Jahr der Anschaffung in voller Höhe als Betriebsausgaben abgezogen werden (§ 6 [2a] S. 4 EStG). Dieses Wahlrecht kann für jedes geringwertige Wirtschaftsgut dieser Gruppe gesondert ausgeübt werden. Besondere Aufzeichnungspflichten, wie die Erfassung in einem Anlagenverzeichnis, bestehen für diese geringwertigen Wirtschaftsgüter nicht.Sofortabschreibungen
Geringwertige Wirtschaftsgüter mit Anschaffungskosten über 250 Euro bis 800 Euro netto (952 Euro brutto bei 19 % USt) dürfen im Jahr ihrer Anschaffung in voller Höhe abgeschrieben werden (§ 6 [2] S. 1 EStG). Im Unterschied zur Gruppe der GWG bis 250 Euro erfolgt vor der Sofortabschreibung eine Aktivierung. Nach § 6 [2] S. 4 EStG sind diese GWG in ein besonderes, laufend zu führendes Verzeichnis aufzunehmen. Auf das Verzeichnis kann verzichtet werden, wenn die Angaben zu den GWG aus der Buchführung ersichtlich sind, was beim Einsatz einer EDV-Buchführung der Fall ist. Zum Jahresabschluss erfolgt die Abschreibung der GWG. Das Wahlrecht der Sofortabschreibung kann wirtschaftsgutbezogen, also für jedes GWG dieser Gruppe gesondert ausgeübt werden.Sammelposten
Geringwertige Wirtschaftsgüter mit Anschaffungskosten über 250 Euro bis 1.000 Euro netto (1.190 Euro brutto bei 19 % USt) dürfen im Jahr ihrer Anschaffung zu einem Sammelposten (Pool) zusammengefasst werden (§ 6 [2a] S. 1 EStG). Der Sammelposten ist im Jahr seiner Bildung und in den vier Folgejahren linear, also mit 20 % pro Jahr, abzuschreiben. Der Sammelposten verändert sich nur durch die unterjährigen Zugänge und die Jahresabschreibungen. Abgänge, zum Beispiel durch Verkäufe, verändern den Sammelposten nicht, sondern führen zu einem entsprechenden Ertrag. Neben der Erfassung der geringwertigen Wirtschaftsgüter auf dem Sammelpostenkonto bestehen keine weiteren Aufzeichnungspflichten.Die Entscheidung für die Bildung eines GWG-Sammelpostens muss für jedes Wirtschaftsjahr einheitlich für alle geringwertigen Wirtschaftsgüter dieser Gruppe getroffen werden. Das bedeutet, dass in einem Wirtschaftsjahr, in dem geringwertige Wirtschaftsgüter mit Anschaffungskosten über 250 Euro bis 1.000 Euro netto in einen Sammelposten eingestellt werden, keine Sofortabschreibung von geringwertigen Wirtschaftsgütern mit Anschaffungs- oder Herstellungskosten über 250 Euro bis 800 Euro netto erfolgen kann. Die Alternativen schließen sich gegenseitig aus. Erst im folgenden Wirtschaftsjahr kann die Entscheidung neu und anders getroffen werden.
Buchhalterische Abwicklung
Die buchhalterische Behandlung soll anhand von zwei Beispielen verdeutlicht werden. Beispiel 1 beinhaltet die aufwandswirksame Erfassung von GWG mit Anschaffungskosten bis 250 Euro sowie die Sofortabschreibung von GWG mit Anschaffungskosten über 250 Euro bis 800 Euro. Beispiel 2 behandelt die Bildung und Abschreibung eines Sammelpostens für GWG mit Anschaffungskosten über 250 Euro bis 1.000 Euro. Den Buchungen liegt der Industriekontenrahmen für Aus- und Fortbildung zugrunde.Beispiel 1: GWG mit AK bis 250 € bzw. mit AK über 250 € bis 800 €
Die Deimann GmbH schafft im Januar des Geschäftsjahrs 2018 folgende GWG in bar an:(1) 1 Schreibtischlampe für 285,60 € brutto pro Stück sowie
(2) 1 Schreibtisch für 600,00 € netto pro Stück.
In der Deimann GmbH werden geringwertige Wirtschaftsgüter mit Anschaffungskosten bis 250 Euro netto nicht aktiviert und planmäßig abgeschrieben, sondern sofort als Betriebsausgabe über ein sachlich zutreffendes Aufwandskonto gebucht (1). Die Anschaffungskosten der Schreibtischlampe betragen (285,60 € : 119 % =) 240,00 € netto. Im Brutto-Kaufpreis sind (285,60 € × 19 % : 119 % =) 45,60 € Umsatzsteuer enthalten.
Geringwertige Wirtschaftsgüter mit Anschaffungskosten über 250 Euro bis 800 Euro netto werden in der Deimann GmbH zunächst auf einem entsprechenden Aktivkonto (0790 Geringwertige Anlagen und Maschinen oder 0890 Geringwertige Vermögensgegenstände der Betriebs- und Geschäftsausstattung) aktiviert und zum Jahresabschluss in voller Höhe abgeschrieben (6540 Abschreibungen auf geringwertige Wirtschaftsgüter) (2). Die Anschaffungskosten des Schreibtischs betragen 600,00 €, Umsatzsteuer ist in Höhe von (600,00 € × 19 % =) 114,00 € entstanden.
Beispiel 2: GWG mit AK über 250 € bis 1000 €
Die Schmolmann KG schafft im Januar des Geschäftsjahrs 2018 folgende GWG auf Ziel an:- 5 Schreibtischcontainer für 350,00 € netto pro Stück sowie
- 10 Büroschränke für 950,00 € netto pro Stück.
Folgende Rechnung geht bei der Schmolmann KG für die GWG ein:
Für jedes Geschäftsjahr ist auf einem gesonderten Konto ein eigener Sammelposten zu bilden (z. B. 0891 GWG-Sammelposten BGA, Jahr 1 … 0895 GWG-Sammelposten BGA, Jahr 5) (1). Zum Jahresabschluss wird die jährliche Abschreibung (Poolabschreibung) in Höhe von 20 % der ursprünglichen Anschaffungskosten vorgenommen (6541 Abschreibungen auf GWG-Sammelposten) (2).
Auswirkungen
Die Bewertungswahlrechte für geringwertige Wirtschaftsgüter leisten einen erheblichen Beitrag zur Vereinfachung in der Buchführung. Die Anschaffungskosten für abnutzbare Gegenstände des Anlagevermögens sind grundsätzlich durch planmäßige Abschreibungen auf ihre voraussichtliche Nutzungsdauer zu verteilen. Diese Vorgehensweise wäre ohne die Vereinfachungsregeln für geringwertige Wirtschaftsgüter auch auf die Vielzahl von Vermögensgegenständen mit geringem Wert anzuwenden, die in Unternehmen vorhanden sind. Die Anhebung der Wertgrenze für die Aufzeichnungspflicht auf 250 Euro führt zu einer zusätzlichen Verwaltungsentlastung.Die Ausübung der Bewertungswahlrechte für geringwertige Wirtschaftsgüter führt im Regelfall zu höheren Betriebsausgaben bzw. Abschreibungen als die Aktivierung und planmäßige Abschreibung der Gegenstände über die voraussichtliche Nutzungsdauer. In der Folge vermindern sich der zu versteuernde Gewinn und die Belastung mit Ertragsteuern. Insbesondere die Erhöhung der oberen Wertgrenze für die Sofortabschreibung der GWG auf 800 Euro wird bei den Unternehmen zu einem positiven Liquiditätseffekt führen, der beispielsweise für Investitionen genutzt werden kann.
Fazit
Die Anhebung der seit 1965 im Einkommensteuergesetz bestehenden Wertgrenzen für die Möglichkeit der Sofortabschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter durch das Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen von 150 Euro auf 250 Euro (Wertuntergrenze) und 410 Euro auf 800 Euro (Wertobergrenze) ist sicherlich zu begrüßen. Die neuen Wertgrenzen können auf nach dem 31. Dezember 2017 angeschaffte Wirtschaftsgüter angewendet werden.Bei den Bewertungswahlrechten für geringwertige Wirtschaftsgüter handelt es sich um steuerliche Regelungen (§ 6 [2, 2a] EStG). Obwohl das Handelsrecht keine entsprechenden Bewertungswahlrechte vorsieht, wird eine Übernahme der steuerlichen Wertansätze in die Handelsbilanz als grundsätzlich zulässig angesehen. Dies gilt uneingeschränkt für den sofortigen Betriebsausgabenabzug sowie die Sofortabschreibung, zumal beide Vorgehensweisen dem Vorsichtsprinzip genügen. Die Bildung eines GWG-Sammelpostens in der Handelsbilanz ist nicht zu beanstanden, wenn dieser insgesamt nur von untergeordneter Bedeutung ist. [1]
Mit dem Zweiten Gesetz zur Entlastung insbesondere der mittelständischen Wirtschaft von Bürokratie (Zweites Bürokratieentlastungsgesetz – BEG II) hat der Gesetzgeber außerdem die Wertgrenze für die Aufzeichnungspflicht von 150 Euro auf 250 Euro erhöht und damit einen Beitrag zur Verwaltungsvereinfachung in den Unternehmen geleistet.
[1] Vgl. Beck’scher Bilanzkommentar, 10. Auflage, München 2016, § 253, Rz. 275 und 434.
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