Umsatzerlöse nach § 277 HGB - Bilanzrichtlinie - Umsetzungsgesetz (BilRUG)

Mit Beginn des Geschäftsjahres 2016 trat auf der Grundlage des Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (BilRUG) eine neue Definition der Umsatzerlöse in Kraft. Diese Neudefinition hat ihre Verankerung in § 277 HGB gefunden. In der Gewinn- und Verlustrechnung führt die Neudefinition zu einer Verschiebung von den bisherigen „Sonstigen betrieblichen Erträgen“ zu den Umsatzerlösen sowie zu einer Zuordnung der bisherigen „Außerordentlichen Erträge“ zu den Umsatzerlösen oder zu den „Sonstigen betrieblichen Erträgen“. Im Gliederungsschema der Gewinn- und Verlustrechnung entfallen nunmehr die Positionen „Außerordentliche Erträge“ und „Außerordentliche Aufwendungen“, und die Positionen „Sonstige betriebliche Erträge“ und „Umsatzerlöse“ sind inhaltlich anderes gefüllt. Damit wirkt sich diese Neudefinition auch auf die Höhe der Forderungen a. LL sowie auf die Kennzahlen der Jahresabschlussauswertung aus.

1. Gesetzliche Grundlage

§ 277 HGB Vorschriften zu einzelnen Posten der Gewinn- und Verlustrechnun
(1) Als Umsatzerlöse sind die Erlöse aus dem Verkauf und der Vermietung oder Verpachtung von Produkten sowie aus der Erbringung von Dienstleistungen der Kapitalgesellschaft nach Abzug von Erlösschmälerungen und der Umsatzsteuer sowie sonstiger direkt mit dem Umsatz verbundener Steuern auszuweisen. (2) ....

Aus § 277 [1] HGB ergeben sich folgende Interpretationen:

> Umsatzerlöse entstehen aus dem Verkauf von Produkten (= Erlöse aus Veräußerungsgeschäften).
Produkte sind nach herrschender Meinung die verkaufsfähigen Erzeugnisse und Waren, die regelmäßig im Rahmen der Geschäftstätigkeit des Unternehmens veräußert werden. Produkte entstammen damit dem normalen Absatzprogramm:
• Erzeugnisse erfordern einen Produktions- und Absatzprozess
• Waren erfordern die Weiterveräußerungsabsicht ohne wesentliche Bearbeitung oder Verarbeitung
Erlöse aus dem Verkauf gebrauchter Anlagegegenstände gehören dann nicht zu den Umsatzerlösen – sondern zu den sonstigen betrieblichen Erträgen – wenn sie für das Unternehmen atypisch sind.

> Umsatzerlöse ergeben sich als Erlöse aus der Vermietung oder Verpachtung von „Produkten“ (= Erlöse aus Dienstleistung).
Entscheidend für die Zuordnung solcher Erlöse zu den Umsatzerlösen ist der Leistungsaustausch zwischen den beteiligten Parteien, unabhängig davon, ob die Vermietung/Verpachtung regelmäßig im Rahmen der Geschäftstätigkeit des Unternehmens als typisches Leistungsangebot betrieben wird oder nicht. Also gehören die Erlöse aus der regelmäßigen sowie aus der als Nebentätigkeit ausgeübten Vermietung/Verpachtung von Vermögensgegenständen zu den Umsatzerlösen.

> Umsatzerlöse entstehen aus der Erbringung von Dienstleistungen
Grundlage für die Zuordnung eines Erlöses aus Dienstleistungen zu den Umsatzerlösen ist auch hier der Leistungsaustausch zwischen den beteiligten Parteien, unabhängig davon, ob die Dienstleistung regelmäßig im Rahmen der Geschäftstätigkeit des Unternehmens ausgeführt wird oder nicht. Damit zählen z. B. Erlöse aus Reparatur-, Instandhaltungs-, Wartungsleistungen oder Provisionserlöse aus Vermittlungsgeschäften zu den Umsatzerlösen.

Um diejenigen Erlöse kenntlich zu machen, die zwar Umsatzerlöse sind, aber nicht regelmäßig oder atypisch im Rahmen der Geschäftstätigkeit des Unternehmens entstehen, können nach § 265 [5] HGB die Umsatzerlöse entsprechend untergliedert werden. Das hat z. B. dazu geführt, dass unter der Kontengruppe „50 Umsatzerlöse für eigene Erzeugnisse und andere eigene Leistungen“ das Konto „5080 Erlöse aus Vermietung und Verpachtung“ eingerichtet wurde. Diese Untergliederung erleichtert den Ausweis der ausschließlich dem Betriebszweck dienenden Umsatzerlöse für die Kosten- und Leistungsrechnung.

Nach herrschender Meinung gelten die Regelungen in § 277 HGB nicht nur – wie im Gesetzestext angegeben – für Kapitalgesellschaften, sondern für alle Kaufleute.

Auffallend ist, dass in § 277 HGB nicht nur die Erlösschmälerungen und die Umsatzsteuer als abzuziehende Posten genannt sind, sondern auch die „direkt mit dem Absatz verbundenen Steuern“. Dies trifft allerdings nur diejenigen Unternehmer, die Steuerschuldner der jeweiligen Steuern sind (Kaffee-, Tabak-, Strom-, Energiesteuer).

2. Abgrenzung der Umsatzerlöse von außerordentlichen Erträgen und sonstigen betrieblichen Erträgen in der Gewinn- und Verlustrechnung

Nach der bisherigen handelsrechtlichen Regelung waren für die Zuordnung der Erträge zu den Umsatzerlösen die beiden Eigenschaften:

> typisches Leistungsangebot und
> gewöhnliche Geschäftstätigkeit
maßgeblich.
Die beiden Eigenschaften „typisches Leistungsangebot“ und „gewöhnliche Geschäftstätigkeit“ sind nach neuer Definition der Umsatzerlöse entfallen.
Das hat zur Folge, dass die außerordentlichen Erträge ihre Eigenständigkeit in der Gewinn- und Verlustrechnung (und im Kontenrahmen) verloren haben und jetzt den Umsatzerlösen oder den sonstigen betrieblichen Erträgen zuzuordnen sind. Ein Teil der bisher im Kontenrahmen als sonstige betriebliche Erträge bezeichneten Erträge zählt nunmehr zu den Umsatzerlösen:
Beispiel:
Bisher wurden Erträge aus der Vermietung und Verpachtung als sonstige betriebliche Erträge im Konto „5400 Mieterträge“ erfasst und damit in der Buchführung von den Umsatzerlösen ferngehalten. In der Gewinn- und Verlustrechnung gehörten sie zu den sonstigen betrieblichen Erträgen. Nach neuer Definition gehören die Mieterträge zu den Umsatzerlösen. Sie werden im Unterkonto „5080 Erlöse aus Vermietung und Verpachtung“ gebucht und damit der Kontengruppe „50 Umsatzerlöse für eigene Erzeugnisse und andere eigene Leistungen“ zugeordnet.

Der bisherige Tatbestand des „typischen Leistungsangebotes“ hatte zum Ziel, die Umsatzerlöse von den sonstigen betrieblichen Erträgen abzugrenzen. Die Absicht war, den eigentlichen Unternehmensgegenstand und damit das Kerngeschäft herauszustellen. Der Tatbestand „gewöhnliche Geschäftstätigkeit“ verfolgte das Ziel, die Umsatzerlöse von den außerordentlichen Erträgen abzugrenzen. Nach der neuen Definition der Umsatzerlöse können auch Erträge aus nicht typischen Leistungsangeboten und aus außergewöhnlichen Geschäftstätigkeiten zu den Umsatzerlösen gehören.

Es ist deshalb im Zweifel zu prüfen, inwieweit die bisherigen außerordentlichen Erträge und die sonstigen betrieblichen Erträge den Umsatzerlösen zuzuordnen sind. Für die Zuordnung ist es entscheidend, ob zwischen „Produkt/Dienstleistung“ einerseits und „Umsatzerlös“ andererseits ein Zusammenhang (s. o. „Leistungsaustausch“) besteht. Das ist z. B. bei Erlösen aus Vermietung und Verpachtung zu bejahen, nicht dagegen bei:

> atypischen Erlösen aus dem Verkauf gebrauchter Anlagegegenstände
> Erträgen aus der Auflösung von Rückstellungen
> Erträgen aus Versicherungsentschädigungen
> Erträgen aus Zuschreibungen
> Erträgen aus Währungsumrechnungen bei Fremdwährungsforderungen oder Fremdwährungsverbindlichkeiten
> Erträgen aus der Veräußerung von Wertpapieren des Umlaufvermögens
> Zinserträgen

Die Erträge aus den zuletzt genannten Vorgängen gehören nach wie vor zu den sonstigen betrieblichen Erträgen, sofern sie nicht einen eigenen Posten in der Gewinn- und Verlustrechnung darstellen (z. B. Zinserträge).

Werkstoffe sowie Neben- und Kuppelprodukte gelten bei ihrem Verkauf nur dann als „Produkte“ im Sinne des § 277 HGB – und müssen also den Umsatzerlösen zugewiesen werden – wenn sie regelmäßig veräußert werden. Fehlt es an der Regelmäßigkeit, gelten die Erlöse aus dem Verkauf dieser Stoffe als sonstige betriebliche Erträge, da hier die Absicht der Weiterveräußerung als Kriterium für Umsatzerlöse entfällt.

Außerordentliche Erträge (und Aufwendungen) treten nicht mehr als gesonderter Posten in der Gewinn- und Verlustrechnung auf. Sie werden entweder unter die Umsatzerlöse oder unter die sonstigen betrieblichen Erträge eingeordnet (s. u.). Sofern sie für das Unternehmen von ungewöhnlicher Bedeutung sind, müssen sie einzeln nach Art und Betrag im Bilanzanhang angegeben und erläutert werden.

3. Übersicht

In der folgenden Übersicht sind Beispiele für die Neuordnung der Erträge aufgelistet. Gravierende Veränderungen ergeben sich daraus, dass durch § 277 HGB die Unterscheidung in gewöhnliche und außergewöhnliche Geschäftstätigkeit aufgehoben ist.

4. Auswirkungen der erweiterten Umsatzerlösdefinition auf den Jahresabschluss und die Analyse des Jahresabschlusses

Mit der Neudefinition verändern sich nicht nur die Inhalte der Umsatzerlöse und der sonstigen betrieblichen Erträge, es sind damit auch Veränderungen in bestimmten Aufwandsposten der Gewinn- und Verlustrechnung sowie in den Forderungsposten der Bilanz verbunden. Letztlich wirken die Veränderungen auch in die Auswertung des Jahresabschlusses hinein.

a) Materialaufwand in der GuV-Rechnung. Die Neufassung der Umsatzerlöse beeinflusst die Abgrenzung der sonstigen betrieblichen Aufwendungen zum Materialaufwand. Sofern z. B. bezogene Leistungen im Zusammenhang mit vermieteten Vermögensgegenständen bisher als „sonstige betriebliche Aufwendungen“ zu buchen waren, sind sie nunmehr in den „Materialaufwand“ aufzunehmen: Aufwendungen für den Anstrich einer vermieteten Lagerhalle durch einen ortsansässiges Malerbetrieb.
b) Forderungsausweis in der Bilanz. Forderungen mit Bezug zum Leistungsangebot des Unternehmens, die bisher unter dem Bilanzposten „Sonstige Vermögensgegenstände“ erfasst wurden (z. B. Forderungen im Zusammenhang mit Mieterträgen) sind nunmehr unter „Forderungen aus Lieferungen und Leistungen“ zu gruppieren.
c) Auswertung der Erfolgsrechnung. Mit der Veränderung der Umsatzerlöse verändern sich diejenigen Kennzahlen in der Erfolgsrechnung, in denen die Umsatzerlöse als mitwirkende Größe vorkommen. Sie müssen neu interpretiert werden: Umschlagskennzahlen, Umsatzrentabilität, Cashflow, Return on Investment.

5. Umsatzerlöse in der Kosten- und Leistungsrechnung

Die Kosten- und Leistungsrechnung ist darauf angewiesen, die dem sach- und zielorientierten Unternehmenszweck zuzurechnenden Kosten und Leistungen getrennt von den neutralen Aufwendungen und Erträgen zu erfassen:

> um das Betriebsergebnis korrekt ausweisen zu können,
> um die Kostenrechnung frei von neutralen Aufwendungen und Erträgen durchführen zu können und
> um die leistungsbezogenen Kennzahlen korrekt berechnen zu können.

Diesen Anforderungen entspricht die Zuordnung von sonstigen betrieblichen Erträgen (z. B. Mieterträge) und außerordentlichen Erträgen (z. B. Erlös aus dem Verkauf eines Teilbetriebes) nach § 277 HGB zu den Umsatzerlösen nicht. Deshalb ist es hilfreich, wenn in der Buchführung eine der Kosten- und Leistungsrechnung genügende Untergliederung der Umsatzerlöse vorgenommen wird. Das erleichtert die Abgrenzung der neutralen Erträge von den betrieblichen Leistungen in der Ergebnistabelle. Im Unterkonto „5080 Erlöse aus Vermietung und Verpachtung“ ist das bereits vorgesehen. Alternativ dazu sollte in der Abgrenzungsrechnung jeweils angegeben werden, in welcher Höhe neutrale Erträge nicht zu den Umsatzerlösen zu rechnen sind. In entsprechender Weise sind Angaben auch für Aufwendungen zu machen, die als „neutrale“ Aufwendungen dem Materialaufwand zugeordnet wurden.
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