Zinseszinsrechnung mit grafischen Darstellungen

von Wolf-Dieter Rückwart, August 2024

Zum Inhalt:

  1. Einführung
  2. Zinseszinsrechnung bei einmaligem Kapitalbetrag sowie bei jährlichen Anlagebeträgen
  3. Zinseszinsrechnung zur Überprüfung der Rentabilität einer Investition 

1. Einführung

Die nachfolgende Ausarbeitung zur Zinseszinsrechnung erweitert die Darstellung "Zinsrechnung als angewandte Prozentrechnung" im Buch "Grundzüge des kaufmännischen Rechnens". Die dort dargestellte Zinsrechnung basiert auf der unterjährigen Verzinsung, d. h. die Zinsperiode beträgt maximal 360 Tage, und sie hat einfache Zinszahlungen bei mittelfristigen Krediten an den Kreditgeber zum Inhalt, d. h. die Zinsen werden jährlich vom - restlichen - Kredit berechnet und an den Kreditgeber gezahlt bzw. die Zinsen werden bei Spareinlagen dem Sparer zum Jahresende von der Bank gutgeschrieben. 

Diese Darstellung beinhaltet die in der Wirtschaft üblichen Gebiete der Zinseszinsrechnung: 

  • das Anwachsen eines verzinslichen Kapitalbetrages einschließtlich der jährlich eingerechneten Zinsen über einen endlichen Zinsraum,
  • die Überprüfung der Rentabilität bei Investitionsentscheidungen. 

Von Zinseszins spricht man, wenn eine Kapitalanlage Zinserträge erbringt, diese Erträge dem Anleger nicht ausgezahlt, sondern der Anlage hinzugerechnet und selbst wieder verzinst werden. Diese Form der Verzinsung findet sich bei vielen Anlagen, z. B. bei Festgeldkonto, Unternehmensanleihe, Sparbrief, offener Immobilienfonds (Fondssparplan).

2. Zinseszinsrechnung bei einmaligen Kapitalbetrag sowie bei jährlichen Anlagebeträgen

2.1 Verzinsung eines Kapitalbetrags mit Zinseszinsen

Eine einmalige Kapitalanlage mit mehrjähriger Laufzeit erbringt für den Anleger jährliche Zinserträge. Diese Erträge werden dem Kapital zugerechnet und erbringen selbst wieder Zinserträge. Die Folge ist ein Anwachsen des Kapitalstocks. Von der Laufzeit und von der Höhe des Zinssatzes hängt es entscheidend ab, wie stark das Anwachsen des Kapitalstocks ausfällt (Zinseszinseffekt).
Gegenüber einer einfachen Verzinsung des Kapitals hätte der Anleger 92,74 € mehr erzielt.
(Z = 10.000,00 € ٠ 0,03 ٠ 5 = 1.500,00 €; K + Z = 10.000,00 € + 1.500,00 € = 11.500,00 €)
Die grafische Darstellung verdeutlicht die nichtlineare Entwicklung der Anlagebeträge über die Jahre (blaue Punkte). Demgegenüber verläuft die einfache Verzinsung des Betrages von 10.000,00 € entlang des roten Graphen. Mit zunehmender Verzinsungsdauer wird die Entfernung beider Graphen größer.

Für die Konstruktion der Grafik wird folgende Tabelle verwendet:

Gegenüber einer einfachen Verzinsung des Kapitals (7.500,00 €) hätte der Anleger in diesem Fall bereits 3.437,78 € mehr erzielt (K + Z = 10.000,00 € + 7.500,00 € = 17.500,00 €).
In diesem Fall ergäbe sich gegenüber der einfachen Verzinsung (10.000,00 € K + 10.000,00 € Z = 20.000,00 €) ein Mehrertrag von 6.658,36 €.
Die nachfolgende Grafik verdeutlicht den Unterschied. Für die Konstruktion der Grafik wird folgende Tabelle verwendet:

2.2 Gemischte Verzinsung

Eine sog. gemischte Verzinsung liegt vor, wenn der Sparvertrag vorsieht, dass der Sparer nach Ablauf einer Mindestsparzeit (i Jahre) jederzeit innerhalb eines Jahres die Ansparung beenden kann. In diesem Fall werden die Zinsen für volle Jahre (i) nach der Zinseszinsformel berechnet und die Erträge dem Kapital zugeschrieben. Für das angebrochene letzte Jahr werden nur einfache Zinsen vom Kapital Ki berechnet.

2.3 Verzinsung eines jährlichen Anlagebetrags mit Zinseszins

Vielfach werben Anlageunternehmen (z. B. Banken) damit, dass schon ein – jährlicher – kleiner Anlagebetrag durch Zinseszins im Laufe der Jahre zu einem beträchtlichen Kapital anwächst. Die Berechnung des Endkapitals Kn nach n Jahren erfolgt aufgrund nachstehender Ableitung. Der zum Ende eines jeden Jahres (nachschüssig) einzuzahlende Betrag wird mit R (Rate) bezeichnet:

2.4 Zinseszinsrechnung mit einem einmaligen Kapitalbetrag in Kombination mit einem jährlich Anlagebetrag (Sparkassenformel)

In der sog. Sparkassenformel werden die in den Kapiteln 2.1 und 2.2 dargestellten Anlageformen kombiniert: Zu Beginn eines Jahres wird ein bestimmter Betrag zu einem bestimmten Zinssatz für eine bestimmte Laufzeit auf Zinseszins angelegt. Zusätzlich ist vertraglich vereinbart, dass jeweils zum Jahresende eine bestimmte „Rate“ eingezahlt werden soll. Die Erträge dieser Raten werden den Raten zugerechnet und ebenfalls verzinst. Nach n Jahren ergibt sich das Endkapital Kn mit:
In der nachfolgenden grafischen Darstellung werden der Kapitalentwicklung durch Zineszins (siehe blaue Punkte) die Nettoeinzahlungen (siehe rote Punkte) gegenübergestellt. 
Nach 20 Jahren würden die Zinseszinsen die Nettoeinzahlungen um fast 50 % übersteigen: 
14.931.48 € : 30.000,00 € = 0,4977 = 49,77 %

3 Zinseszinsrechnung zur Überprüfung der Rentabilität einer Investition

Eine Investition ist im Unternehmen immer mit einer Auszahlung verbunden. Für diese Auszahlung muss die Finanzierung aus eigenen Mitteln oder über einen Bankkredit gewährleistet sein. Inwieweit eine Investition rentabel ist, zeigt sich erst, wenn die mit der Investition verbundenen jährlichen „Auszahlungen“ mit den durch die Investition erzielbaren „Einzahlungen“ verglichen werden. Der Vergleich ist schwierig zu handhaben, da sowohl die Auszahlungen als auch die Ein-
zahlungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten und in unterschiedlichen Höhen eintreten. Eine Möglichkeit, diese Schwierigkeit zu beseitigen, wäre es, wenn sowohl die Auszahlunegn als auch die wahrscheinlichen Einzahlungen mit Hilfe der Zinseszinsrechnung auf einen gemeinsamen Endwert Kn aufgezinst würden. 

Hiergegen spricht der spekulative Charakter der Investitionseinzahlungen: Es ist nicht realistisch anzunehmen, dass zukünftig prognostizierte Einzahlungen auch tatsächlich so eintreten. In der Praxis wird deshalb statt des Endwertes Kn der Barwert K0 der Investitionsauszahlungen und der -einzahlungen herangezogen.

Nur wenn die Differenz aus Barwert der Einzahlungen minus der Investitionsauszahlung positiv ist, wird sich die Investition lohnen. Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich daraus, dass für den Vergleich ein geeigneter Zinssatz gefunden werden muss. Dies könnte ein kalkulatorischer Zinssatz sein, der aus zurückliegenden Eigenkapitalrentabilitäten abgeleitet ist. 

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