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Ende der 1960er-Jahre begann für die bundesdeutsche Grundschule ein Reformprozess. Neue Konzepte trafen sehr bald auf Gegenkonzepte, Trends auf Gegentrends, neue Ansätze auf die Besinnung auf Bewährtes. Die Zeitschrift „Grundschule" war von Anfang an dabei: als Verständigungsplattform und kompetenter Wegweiser in dem vielstimmigen Reformkonzert: Damit ist sie auch ein Spiegel der Grundschulgeschichte seit 1967.

Viele Themen wurden in den letzten 50 Jahren diskutiert. Neben fachdidaktischer Fortbildung und Unterrichtsvorschlägen zu allen Fächern wurden in der Zeitschrift „Grundschule“ pädagogische Veränderungen und gesellschaftlicher Wandel thematisiert. An einige Themen möchten wir exemplarisch erinnern.

Die 1960er Jahre

„Ist die Grundschule reformbedürftig?“

Diese Frage stellte und beantwortete Erwin Schwartz 1966 in der Zeitschrift Westermanns Pädagogische Beiträge (WBP) mit einem klaren "Ja". Die Bundesländer hatten sich erst zwei Jahre zuvor für die Grundschule als gemeinsame Unterstufe für alle Kinder ausgesprochen. Schwartz, damals erster Lehrstuhlinhaber für Grundschuldidaktik in Deutschland, rief den „Bildungsnotstand“ für die Primarstufe aus. Auslöser war die Tatsache, dass die Grundschule zum einen bei Klassenfrequenz, Stundenzahl, Lehrerausbildung und -anzahl am schlechtesten abschnitt und zum anderen unzeitgemäßen pädagogischen Vorstellungen verhaftet war.

Im Oktober 1966 wurde vom Herausgeberteam der WPB eine erste Grundschultagung initiiert. Teilgenommen haben über 50 Experten aus Ministerien, Schulverwaltung, Hochschule und Schulen. Auf dieser Konferenz wurde auch der „Arbeitskreis Grundschule“ gebildet. Zielsetzung war es „Unterricht und Erziehung in der Grundschule mit wissenschaftlichen Methoden zu fördern, die Verwirklichung von Reformvorschlägen zu ermöglichen, entsprechende Schulversuche zu begleiten und die Belange der Grundschule in der Öffentlichkeit nachdrücklich zu vertreten.“ Als Sprachrohr des Arbeitskreises erschien 1967 in Form eines Beiheftes erstmals die "Grundschule", aus der bald eine eigenständige Zeitschrift entstand. Die Zeitschrift thematisierte damals wie heute die drängendsten Themen aus wissenschaftlicher wie schulpraktischer Perspektive, um Lehrerinnen und Lehrern neue (Unterrichts-)Ansätze auf gesicherter Basis anzubieten

Die 1970er Jahre

Die Siebziger Jahre standen ganz im Zeichen der Wissenschaftsorientierung:

Sachunterricht und Mathematik im Fokus: Aus der Heimatkunde wurde der sachunterrichtliche Kernbereich für die Erschließung der naturwissenschaftlich-technischen und sozialen Umwelt. Dies wurde viel und kontrovers diskutiert. In mehreren Themenheften greift die "Grundschule" die Diskussion auf, u. a. in Sachunterricht vom Kinde aus (Heft 4-1975). Statt auf Rechenunterricht mit Einüben der Grundrechenarten setzte man auf die „neue Mathematik“ und ihre Mengenlehre - dies behandelte die "Grundschule" z. B. in Förderung des mathematischen Denkens (Heft 3-1977).

Legasthenie: Die Sicht auf Legasthenie wandelte sich vom spezifischen Defekt zu speziellen Schwierigkeiten beim Lesen- und Schreibenlernern, auf die in der Schule mit verbesserten Lernbedingungen reagiert werden kann. Diesem Thema nahm sich die Grundschule in Legasthenie – Alibi oder Aufgabe? (Heft 3-1976) an.

Fremdsprachen in der Grundschule: Die zunehmende politische und wirtschaftliche Verzahnung der Länder führte zur Diskussion, das Erlernen einer Fremdsprache ins Grundschulalter vorzuziehen: Englisch auf der Grundstufe (Heft 6-1972)

Strukturpläne für das Bildungswesen: Die Bildungskommission des Deutschen Bundesrate legte einen Strukturplan für das Bildungswesen vor, der zu Umwandlungsprozessen führte: Von den Richtlinien zu den Curricula (Heft 4-1970)

Die 1980er Jahre

Wichtige Themen in den Achtziger Jahren waren u. a.:

Veränderungen des Alltags:
Der Trend ging zur Ein-Kind-Familie und die Mütter wurden vermehrt berufstätig, die Medienvielfalt nahm zu, die städtischen Spielräume nahmen ab, und die Tagesabläufe wurden immer mehr verplant – aber welche Auswirkungen hatte das auf die Kinder? Diesem Thema haben wir uns in Kindheit heute (Heft 5-1989) angenommen.

Grundwortschatz: In die Lehrpläne des Deutschunterrichts zog der Grundwortschatz ein. Er sollte der Rechtschreibsicherheit dienen – egal ob als kind-, klassenbezogener Grundwortschatz oder als jahrgangsorientiertes Wörterbuch. Zwei Hefte gab es hierzu: Diskussion: Grundwortschatz (Heft 3-1984) sowie Ausgabe 11-1983.

Ausländische Kinder: Immer mehr Kinder aus anderen Kulturkreisen bereicherten die Klassenzimmer und stellten die Lehrerinnen und Lehrer vor neue Aufgaben der interkulturellen Erziehung, damals noch unter dem Blickwinkel „Integration von Ausländerkindern“. Hilfen für die Lehrkräfte gab es in Ausländerkinder in Schule und Unterricht (Heft 2-1980).

Friedenserziehung: Anfangs des Jahrzehnts hatten die Themen Aufrüstung sowie Friedensbewegung und Friedensmärsche großen Einfluss auf die Menschen, was sich auch in der Schule widerspiegelt: Thema Friedenserziehung – gegen Gewalt für Frieden (Heft 11-1985).

Integration von Behinderten: Nach den richtungsweisenden Empfehlungen des Deutschen Bildungsrates für die „weitmögliche gemeinsame Unterrichtung von Behinderten und Nichtbehinderten“ von 1973 waren zahlreiche Initiativen und Schulversuche gestartet worden. Die Zeitschrift „Grundschule“ berichtete über die Möglichkeiten der Umsetzung, z. B. in Behinderte Kinder in der Grundschule (Heft 10-1983).

Die 1990er Jahre

Folgende Themen haben uns u. a. in den 1990er Jahren beschäftigt:

Öffnung des Unterrichts: Methodenpluralität und freiere Lernphasen, flexibler Umgang mit den Stundentafeln und dem 45-Minuten-Takt fanden Eingang. Gesprochen wurde von einer individualisierenden „Kultur des Förderns“, die sich an lernschwache wie -starke Kinder wendete und gegen das Denken in Lerndefiziten. Und natürlich begleitete die „Grundschule“ den Wandel, u. a. in Wie frei ist Freiarbeit? (Heft 2-1993).

Fremdsprachen in der Grundschule: Unbestritten war die Aufnahme von Fremdsprachen in der Primarstufe, nur bedeutet das die Anbahnung von fremdsprachlicher Kompetenz, Sprachbegegnung und/oder interkulturelle Kompetenz? Gesucht wurde der richtige Weg zwischen verfrühtem Lehrgangsunterricht und beliebigem Gelegenheitsunterricht: Kinder begegnen Sprachen (Heft 2-1993).

Computer im Unterricht: Computer zogen verstärkt ins Arbeitsleben ein und bereicherten auch die bisher genutzten Unterrichtsmedien. Für Lehrerinnen und Lehrer wurde es wichtig, sich über den sinnvollen Einsatz zu informieren, z. B. in Computer im Unterricht (Heft 10-1995).

Ausgangsschriften: Neben der Lateinischen Ausgangsschrift von 1953 stand mit der Vereinfachten Ausgangsschrift eine zweite 1973 entwickelte Erstschrift zur Verfügung. Immer wieder gab es hitzige Diskussionen um die eine oder die andere Schrift. Durch das Ende der DDR kam noch die Schulausgangsschrift hinzu. Orientierung war gefragt: Ausgangsschriften im Überblick (Heft 12-1992).

Flexible Schuleingangsphase: Das erste und zweite Schuljahr wurden enger verzahnt. Dabei mitgedacht ist die flexible Verweildauer in dieser Phase – je nach Vermögen und individueller Entwicklung des Kindes. Die "Grundschule" hat sich diesem Thema z. B. in Die neue Schuleingangsphase (Heft 6-1999) angenommen.

Die 2000er Jahre

Wichtige Themen der 2000er Jahre waren u. a.:

Bildungsstandards
: Ab 2003 wurden nach und nach die Bildungsstandards in allen Bundesländern eingeführt. Sie legten fest, welche Fähigkeiten und Kenntnisse Schüler einer bestimmten Jahrgangsstufe erworben haben sollten. Insbesondere die Frage nach deren Umsetzbarkeit beschäftigt Lehrerinnen und Lehrer in dieser Zeit. Die "Grundschule" hat sich damit in drei Themenheften auseinandergesetzt, z. B. in Standards: Reformschub oder Rolle rückwärts? (Heft 10-2004).

Ganztagsschulen: Das Investitionsprogramm des Bundes "Zukunft Bildung und Betreuung" hat zur Gründung von Ganztagsschulen geführt. Mit Chancen, Grenzen und neuen Kooperationen haben wir uns u. a. in Grundschule als Ganztagsschule (Heft 4-2005) befasst.

Interkulturelles Lernen: Das interkulturelle Lernen war nach wie vor eine große Herausforderung für die Grundschule und wurde auch zum Thema des Unterrichts selbst - z. B. in Interkulturelles Lernen im Religionsunterricht (Heft 4-2004).

Kompetenzorientierung: Schülerinnen und Schüler in der Entwicklung von Lernkompetenz zu unterstützen, bedeutet, es ihnen zu ermöglichen, sich eigenaktiv und selbstverantwortlich mit relevanten Gegenständen auseinanderzusetzen. Was nötig ist, haben wir diskutiert - z. B. in Kompetenz entwickeln (Heft 2-2004).

TIMMS-Studie: 2007 zwangen die Ergebnisse der TIMMS-Studie zum genauen Hingucken etwa auf Geschlechterdifferenzen bei den Leistungen oder den hohen Anteil leistungsschwacher Kinder. So geschehen in TIMSS - Die internationale Schulleistungsstudie und die Bildungsstandards (Heft 6-2009).

Die 2010er Jahre

Und welche Themen beschäftigen uns aktuell?

Förderpläne: Es müssen gezielte Fördermaßnahmen notiert werden, die das einzelne Kind benötigt, um bestimmte Lernziele zu erreichen. Wie die Umsetzung in die Praxis geht, hat die "Grundschule" in diesem Heft gezeigt: Förderpläne in der Praxis: Wir nehmen Maß! (Heft 9-2016).

Flüchtlingskinder: Hunderttausende von Flüchtlingskindern stellen plötzlich die Grundschulen vor enorme Herausforderungen, denen wir uns u. a. in dieser Ausgabe angenommen haben: Flüchtlingskinder unterrichten! Was Sie als Lehrkraft jetzt wissen müssen (Heft 10-2015).

Grundschule und Sozialarbeit: Kinder in der Entwicklung ihrer Persönlichkeit zu unterstützen kann nur gelingen, wenn unterschiedliche pädagogische Fachkräfte zusammenarbeiten. Wie die Kooperation von Lehrkräften und Sozialarbeitern erfolgreich werden kann, war auch ein Thema (Grundschule und Sozialarbeit - Wie die Zusammenarbeit erfolgreich wird Heft 7-8/2013).

Islamischer Religionsunterricht: Der Islamische Religionsunterricht wird in vielen Bundesländern eingeführt. Für die "Grundschule" Anlass, um einen Überblick über die Entwicklung des Faches und der Lehrpläne zu geben: Islamischer Religionsunterricht - Ein neues Fach hält Einzug (Heft 11-2012).

Heterogenität und Inklusion: Die UN-Behindertenrechtskonvention erklärt „Inklusion“ als Menschenrecht für Menschen mit Behinderungen. Das führt zu einer Veränderung unserer Schullandschaft, zu mehr Heterogenität im Klassenzimmer und zu neuen Anforderungen an Grundschullehrende. Mehrere Themenhefte befassen sich speziell mit diesem Thema, u. a. Schule inklusiv und kooperativ - Gemeinsames Lernen gestalten (Heft 3-2012).