Wenn Sie jetzt schmunzeln, dann haben Sie vermutlich selbst schon Bekanntschaft mit dem Phänomen gemacht. Und Sie wissen auch: Prokrastination ist kein Zeichen von Faulheit (zumindest meist nicht), sondern oft das Ergebnis überfordernder Anforderungen, massenweiser Aufgaben, mangelnder Klarheit oder fehlender Motivation. In der Ausbildung ist das besonders relevant – nicht nur bei Ausbilder/-innen, sondern auch bei unseren Azubis. Spätestens beim Thema Berichtsheft, Prüfungsvorbereitung oder dem Anfertigen von Facharbeiten kennen viele die berühmte „Morgen-Morgen“-Mentalität.
Prokrastination – worum geht es da überhaupt?
„Prokrastination ist das irrationale Verzögern und Unterlassen von beabsichtigten Handlungen ohne Rücksicht auf die zu erwartenden negativen Konsequenzen, die daraus entstehen.“
(Becker 2024)
Wenn man prokrastiniert, erledigt man also notwendige oder geplante Aufgaben nicht. Prokrastination tritt besonders häufig auf, wenn:
- die Aufgaben unklar oder zu groß erscheinen,
- man durch Perfektionsansprüche gehemmt wird,
- eine sofortige Belohnung fehlt,
- oder ein innerer Widerstand (Reaktanz) besteht (z. B. bei ungeliebten und verpflichtenden Tätigkeiten wie dem Berichtsheft).
Typische „Aufschieberitis“-Fälle in der Ausbildung
Hier einige Beispiele:
- Wie gerade erwähnt: Berichtshefte schreiben. Typische Denkweise: „Ich mache das gesammelt am Ende des Monats… oder Jahres.“
- Mit dem Lernen zu starten: „Noch ist ja genug Zeit bis zur Prüfung.“
- Feedbackgespräche vorbereiten: „Wird schon irgendwie spontan klappen.“
Doch wer zu lange wartet, steht am Ende oft unter Druck – und produziert so schlechtere Ergebnisse oder erlebt Frust und Stress.
Was hilft gegen das ständige Aufschieben? Eine Maßnahmenliste für Ausbilder/-innen und Azubis
1. Aufgaben greifbar machen
Große Aufgaben wirken einschüchternd. Helfen Sie Azubis, Aufgaben zu strukturieren und in kleine, machbare Schritte zu unterteilen. „Heute 20 Minuten an der Präsentation arbeiten, morgen weitere 20.“
2. SMARTe Ziele setzen
Ziele sollten spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und terminiert sein. Ein Ziel wie „Ich will irgendwann besser werden“ hilft wenig. Besser: „Bis Freitag habe ich das Berichtsheft für KW 21 fertig.“
3. Zeitmanagement-Methoden einführen
Techniken wie die Pomodoro-Technik (25 Minuten Arbeit, 5 Minuten Pause) oder ein Wochenplan helfen, ins Tun zu kommen.
4. Belohnung statt Bestrafung
Statt „Pünktlich, sonst gibt’s Ärger“ lieber: „Wenn du’s geschafft hast, gönn dir eine Pause.“
5. Peer-Motivation nutzen
Azubis in kleinen Gruppen arbeiten lassen, sich gegenseitig motivieren oder Abgabetermine gemeinsam setzen.
6. Selbstwirksamkeit stärken
Junge Menschen brauchen das Gefühl, etwas bewirken zu können. Lob, konstruktives Feedback und das Ernstnehmen ihrer Ideen fördern Motivation
7. Als Ausbilder/-in Vorbild sein
Leben Sie selbst gutes Zeitmanagement vor – und geben Sie auch mal zu, wenn etwas nicht nach Plan läuft. Authentizität schafft Vertrauen.
Bedenken Sie immer: Auch wir als Ausbilder/-innen schieben manchmal Aufgaben vor uns her – vom Schulungskonzept über den neuen Ausbildungsplan bis zur Feedbackrunde.
Und ja, ich auch: Dieser Blogartikel sollte eigentlich im Mai fertig werden. Er wurde am 2. Juni geliefert. Zum Glück haben wir Puffer – und Sie konnten den Artikel nun lesen!
Fazit:
Prokrastination ist menschlich – besonders in Lernphasen. Statt mit Druck zu reagieren, lohnt es sich, die Ursachen zu verstehen und gemeinsam mit den Azubis Lösungen zu entwickeln. So entstehen mehr Lernfreude, Struktur – und weniger Frust kurz vor der Abgabe.
Sie möchten mehr zu den Themen Prokrastination, der Pomodoro-Technik oder der SMART-Methode wissen? In unserem Podcast sicherbestehen teilt Berufsschullehrer Herr Gerold in kurzen, kompakten Folgen praktische Tipps und Einblicke rund um diese und viele weitere Themen im Kontext der Prüfungsvorbereitung.
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