
In der beruflichen Bildung spielt selbstgesteuertes Lernen immer mehr eine zentrale Rolle. So können die Azubis in ihrem eigenen Tempo lernen und bauen gleichzeitig eine berufliche Kernkompetenz auf, denn die Fähigkeit des selbstgesteuerten Lernens unterstützt gleichzeitig beim lebenslangen Lernen außerhalb des schulischen Kontexts.
Was ist selbstgesteuertes Lernen?
Selbstgesteuertes Lernen beschreibt Lernprozesse, bei denen Lernende selbst Verantwortung für ihr Lernen übernehmen. Sie bestimmen – teilweise oder sogar ganz – wie, wann, womit und mit wem sie lernen. Sie setzen sich Ziele, reflektieren ihren Lernprozess und nutzen individuelle Lernstrategien.
Selbstgesteuertes Lernen bedeutet aber nicht, im Lernprozess allein gelassen zu werden. Auch im selbstgesteuerten Lernprozess kann (und sollte) es vorgegebene Lerninhalte, Rahmenbedingungen wie Zeit- und Werkzeugvorgaben und vor allem Feedback geben. Dies ist die Aufgabe von Ausbilder/-innen im Rahmen einer Lernprozessbegleitung.
Es ist also wichtig, selbstgesteuertes Lernen nicht mit selbstorganisiertem Lernen zu verwechseln.
Bei selbstorganisiertem Lernen bestimmen die Lernenden auch die Rahmenbedingungen selbst. Sich selbst komplett eigeninitiativ und -verantwortlich Dinge für ein Hobby, wie z.B. Fotografie, beizubringen, wäre ein Beispiel für selbstorganisiertes Lernen.
Warum ist selbstgesteuertes Lernen relevant für die Ausbildung?
Selbstgesteuertes Lernen ist kein Trendthema. Seit vielen Jahren wird unter anderem durch das Bundesinstitut für Berufsbildung (BiBB) gefordert, selbstgesteuertes Lernen in der Berufsbildung zu verankern. Es gilt: Wer sich selbst gut steuern kann, kann auch in komplexen, teils unklaren Situationen besser selbstständig handeln – eine Schlüsselqualifikation für das heutige und künftige Berufsleben.
Auch wichtig: Selbststeuerung motiviert!
Die Psychologen Ryan und Deci haben bereits in den 90er Jahren (Ryan & Deci, 1992) mit ihrer Selbstbestimmungstheorie drei psychologische Grundbedürfnisse identifiziert, die für die intrinsische Motivation besonders förderlich sind:
- Das Erleben von Autonomie
„Ich kann eigene Entscheidungen treffen und meinen Lernweg aktiv mitgestalten.“ - Das Erleben von Kompetenz
„Ich erlebe, dass ich etwas kann, Fortschritte mache und Herausforderungen meistern kann.“ - Die soziale Eingebundenheit
„Ich fühle mich als ein Teil einer Gemeinschaft und erhalte Unterstützung und Wertschätzung.“
Wer selbst entscheiden darf, wie er oder sie lernt, fühlt sich wirksam und motiviert – und wenn es einmal nicht klappt, ist ein/-e Ausbilder/-in da und unterstützt. Wichtig ist, dass wir es zulassen und ein wenig loslassen!
Was heißt das für die Ausbildungspraxis?
Wir müssen Räume schaffen, in denen Azubis eigenverantwortlich lernen können. Das darf aber nie bedeuten, dass wir einfach sagen: „Mach mal alleine!“ und die Auszubildenden „sitzenlassen“! Es heißt für Ausbilder/-innen: begleiten, Verantwortung übergeben, Zutrauen zeigen.
Wichtig dabei ist auch, immer zu bedenken, dass die Fähigkeit zur Selbststeuerung nicht einfach da ist, sondern geübt werden muss, wie andere berufliche Kompetenzen auch.
Das kann uns beim selbstgesteuerten Lernen helfen:
Hier eine kleine Liste konkreter Werkzeuge und Methoden für Ihre Ausbildungspraxis:
- Lerntagebücher zur Selbstbeobachtung
- Zielvereinbarungen (SMARTe Ziele nutzen: S = spezifisch M = messbar A = attraktiv R = realistisch T = terminiert)
- Peer-Feedback durch Mitlernende
- Digitale Lernressourcen
- KI als Lerncoach
- Lernzielkontrollen zum Selbsttest
- Methoden zum Zeitmanagement (z. B. die Pomodoro-Technik)
- Begleitende Mentoring Gespräche
Fazit: Mehr Zutrauen und mehr Freiheit = mehr Motivation und besseres Lernen
Wie zu Anfang bereits erwähnt, ist selbstgesteuertes Lernen keine Modeerscheinung – gleichzeitig ist es kein Selbstzweck. Es ist eine wirkungsvolle Möglichkeit, Azubis zu aktivieren und zu motivieren und gleichzeitig besser auf künftige berufliche Herausforderungen vorzubereiten. Deswegen sollten wir immer besser Rahmenbedingungen und die richtigen Werkzeuge und Methoden für selbstgesteuertes Lernen bereitstellen. Den Unterschied machen am Ende motivierte und fähige Lernbegleiter/-innen – der Mensch bleibt also weiterhin im Mittelpunkt!
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