Satzbus
Ursula / 25.05.2023


Liebe LUPE-Kolleginnen und Kollegen,

Satzglieder als Thema ist bei vielen Schülerinnen und Schülern, aber auch bei den Lehrerinnen und Lehrern, unbeliebt. Das scheinbar so einfache Verfahren, Satzglieder zu erkennen und zu bestimmen, will von den Kindern einfach nicht verstanden werden. Woran liegt es? Wichtig ist es zunächst, einige Fehlannahmen zu enttarnen. 

1. Das Prädikat ist ein Satzglied.
Das Prädikat weist jedoch keine der Merkmale für Satzglieder auf:

Merkmal a) In mehrteiligen Satzgliedern bleibt die Wortgruppe zusammen.
Aber: „Ich habe dich gesehen“, „Ich wollte dir am Bahnhof winken.“

Merkmal b) Satzglieder können verschoben werden.
Merkmal c) Satzglieder sind „Mitspieler“ im Satz.
Aber: Das Verb ist der „Spieler“ oder „Dirigent“ des Satzes, denn es bestimmt über die Anzahl und Art der Satzglieder:
2. Das Prädikat kann erfragt werden.
„Elsa nimmt einen Apfel.“ Mit der traditionell angebotenen Frage „Was tut Elsa?“ erhalte ich keine geeignete Antwort. Folge ich nämlich dem natürlichen Sprachgebrauch, wäre es mir nicht möglich, hier die erwartete Antwort „nimmt“ zu geben, sondern ich antwortete im ganzen Satz: „Sie nimmt einen Apfel“, der mich aber leider nicht dahin bringt, das Prädikat zu erkennen.
Gleiches gilt bei „Der Mond ist rund.“ Was tut der Mond? → „ist“?
„Ich darf nicht petzen.“ Was tue ich? → „darf“ oder „darf nicht petzen“?

3. Ein Satz besteht mindestens aus einem Subjekt und einem Prädikat.
Infinitivsätze oder Imperativsätze kommen problemlos ohne Subjekt aus, z. B. in Rezepten („Eier und Zucker verrühren, …“) oder in der Aufforderung „Jetzt komm endlich nach Hause!“

Und noch zwei weitere, zumindest mit Vorsicht zu genießende Annahmen:

4. Das Subjekt kann erfragt werden mit der „Wer?“-Frage, also mit der Frage nach dem Akteur/Täter/Verursacher.
Leider ist auch diese Annahme nicht eindeutig zutreffend: Mit der Subjektfrage „Wer oder was …?“ kann das Subjekt nicht ermittelt werden, weil ich die Subjektfrage erst sinnvoll stellen kann, wenn ich zumindest das Prädikat schon kenne: „Das Pferd braucht einen Sattel“: „Wer oder was?“ führt zu keiner Antwort. „Wer braucht etwas?“ schon eher! Und wenn ich auch das Objekt zur Frage benutze („Wer braucht einen neuen Sattel?“), dann bekomme ich tatsächlich das Subjekt heraus. Das wiederum beweist, dass ich das Subjekt eigentlich schon kennen muss, wenn ich alle übrigen Satzglieder zur Subjektfrage benutzen möchte.

5. Objekte und Adverbiale unterscheiden sich darin, dass die einen für das Verständnis notwendig, die anderen entbehrlich sind.
Manchmal sind auch Objekte entbehrlich (wenn sie mitgedacht werden) „Der Berater empfiehlt (seinen Kunden) gut zu rechnen“ und Ergänzungen unentbehrlich: „Ich esse (gerne) Eis.“ Hier ist das Adverbial „gern“ semantisch wichtig und bedeutungstragend, also unverzichtbar.


Wie ist es dann richtig?

1. Das Prädikat ist kein Satzglied.

Es ist schlicht und einfach ein Verb. Weil das Prädikat kein Satzglied ist, verändert es auch seine Position im Satz nicht (Verbzweitstellung). Als „Dirigent“ des Satzes, als Zentrum und in der ursprünglichen Bedeutung (Prädikat = auszeichnende Bewertung) wird es darum immer zuerst im Satz bestimmt.

Wie ist es im Satz zu finden?
Es ist mit der Verbprobe leicht zu ermitteln. Das bedeutet, dass die „was tut?“ oder „was geschieht“-Frage entfallen kann. Stattdessen fragen wir danach, welches Wort des Satzes Personalformen entwickeln kann (Veränderbarkeit des Wortes durch wechselnde Personalpronomen). Noch einfacher, aber auch unzuverlässiger, ist die „Super-ES“-Probe: Fast jedes Verb fügt sich mit einem „Es“ zu einer Wortgruppe zusammen.

2. Das Subjekt ist das Satzglied, das das Prädikat in Person und Numerus bestimmt.
Beide müssen zueinander passen. D. h. wenn sich das Verb in seiner Personalform ändert, ändert sich auch das Subjekt.

Wie ist es im Satz zu finden?
Ich erkenne es mit der Subjektprobe: „Moni rennt zum Sportplatz.“ Hieße das Verb „rennen“ müsste ich Moni ersetzen durch „wir“. Das derart abhängige Satzglied heißt Subjekt. Objekte bleiben von den „personalen“ Änderungen unberührt!
Wenn ich aber an der „Wer?"-Frage, also der Subjektfrage, festhalten möchte, dann muss ich sie kombinieren mit dem Verb, um auf die richtige Spur zu kommen: „Wer rennt?“ Dann kann ich auch fragen „Wer schläft?“ oder „Wer regnet?“ und komme so auf das Subjekt. Es ist also von großer Bedeutung, die Subjektermittlung erst nach der Prädikatsbestimmung durchzuführen. Beide stehen in einer syntaktisch-relationalen Beziehung zueinander.

3. Objekte sind vom Verb gefordert und i. d. R. sowohl semantisch als auch syntaktisch nötig.
Sätze wie: „Er beobachtet [das Reh]“ oder „Sie schenkt [mir]1 [einen Blumenstrauß]2“ zeigen diese Abhängigkeit sehr deutlich auf.

Wie sind Objekte im Satz zu finden?
Objekte sind erst nach dem Verb und dem Subjekt zu bestimmen. Damit ist die Anzahl der infrage kommenden möglichen Satzglieder bereits reduziert. Wenn also im Satz „Der Hund sucht […]“ noch etwas zwingend fehlt (wen oder was sucht er denn?), haben wir das Objekt gefunden: den Knochen
Anders ausgedrückt: Im Satz „Der Hund sucht den Knochen“ ist die Ergänzung vom Verb gefordert, es besteht eine Leerstelle, die vom Objekt besetzt ist (s. Valenzgrammatik).

Und die Unterscheidung von Genitiv-, Dativ- und Akkusativobjekten? Das KC Niedersachsen fordert für die GS keine weitere Differenzierung der Objekte. Wo dies aber gefordert ist, muss die Kasusfrage (wessen, wem, wen) als Hilfe dienen.

4. Adverbiale sind nicht vom Verb verlangt (syntaktisch), sondern zusätzliche (semantische) Informationen. Damit sind sie syntaktisch betrachtet verzichtbar/nicht notwendig, semantisch aber oft schon.

Wie sind sie im Satz zu finden?
a) Die Notwendigkeitsfrage sollte – wenn sie thematisiert wird – immer kontrastiv gestellt werden, also mittels Sätzen, die sowohl ein Objekt als auch eine Ergänzung beinhalten, z. B. „Ich beobachte [den Vogel]1 [seit heute früh]2“: Was kann entbehrt werden, was nicht?
b) Um dieser Konkurrenz von syntaktischen und semantischen Bedarfen zu entgehen, ist es genauso richtig, Adverbiale an ihrem semantischen Gehalt zu erkennen: Gibt es eine Ergänzung zum Ort, zur Zeit, zur Art und Weise o. ä. dann reden wir von adverbialen Ergänzungen.

Der Satzbus

1. Was ist ein Satzbus?
Der Satzbus bietet den Wörtern eines Satzes Platz. Er hat einen definierten Sitz für die Reiseleitung – das Verb. Er bietet Platz vor und hinter dem Verb an, welcher von Satzgliedern besetzt werden kann. Er hat einen Sperrsitz für zweiteilige Prädikate und Platz für die Satzschlusszeichen.

2. Warum das Modell „Satzbus“?
In der Sprachdidaktik gibt es zahlreiche Modelle, die sich darum bemühen, komplizierte Sachverhalte in kindliche Erfahrungswelt und Denkmuster zu überführen:
Da gibt es einen großen Vogel, der den Spannungsbogen einer Geschichte abfliegt, Häuser mit diversen Zimmern, die die Silbenstrukturen darstellen, Könige und Piloten, die die Vokale verbildlichen, Satzsterne, die den Satzaufbau darstellen. Übrigens: Auch schon bei Maria Montessori war das Verb der „springende Punkt“ und das Zentrum des Satzes!
Der Satzbus ist ein geeignetes, alltagstaugliches Modell, um die Variabilität, aber auch die Gesetzmäßigkeit der Satzstrukturen unserer Sprache geeignet, und das heißt fachlich korrekt, darzustellen. Wenn bei der klassischen Umstellprobe Wörter eines Satzgliedes auf Wortkarten geschrieben und diese den Kindern umgehängt werden, dann wird meist dazu aufgefordert, sich einzuhaken, um die Unzertrennlichkeit der Wortgruppe darzustellen. So ist es auch beim Satzbus der gleiche Versuch, erfahrbar und sichtbar zu machen, dass Wörter eines Satzes eine Beziehung zueinander haben und sich nur gemeinsam „nach vorne setzen“, „umsetzen“ lassen. Im Bus wird zudem die zentrale Stellung des Verbes deutlich: Es ist unverrückbar und Bestimmer der Mitfahrer, eben wie eine „Reiseleitung“.

3. Wie kann mit dem Satzbus gearbeitet werden?
Ich habe einen Bus im Klassenzimmer (Plakat oder selbst erstellt) und Wörter, die zu Sätzen zusammenzufügen sind. Ich habe auch leere Wortkarten.
  PASSWORT LUPE Sprachbuch 3 | Seite 10
Ich stelle den Satzbus vor: Der Platz der Reiseleitung (Verb) wird erläutert. Wir legen Sätze. Es ist auch möglich, hier schon zweiteilige Prädikate einzuführen (Sperrsitz hinten). Dazu gibt es eigene Aufgabenstellungen zum Entdecken und zum Üben (z. B. KV)
  PASSWORT LUPE Sprachbuch 3 | Seite 13
Wir experimentieren mit Wörtern und Wortgruppen und bilden Sätze, die wir im Bus platzieren. Das Verb (Reiseleitung) ist als Erstes im Bus! Das geschieht zunächst mit Aussagesätzen, aber auch das Formulieren von Fragen ist möglich, dann bleibt der Sitz vor der Reiseleitung frei.

Die Busprobe wird durchgeführt: Wörter und Wortgruppen werden vor dem Verb platziert. Es wird deutlich, welche Wortgruppen nur gemeinsam umplatziert werden können. Die Satzglieder geben sich dadurch zu erkennen. Durch Auszählen der Möglichkeiten (wer kann vor dem Verb stehen?) wird die Anzahl an Satzgliedern ermittelt.
  PASSWORT LUPE Sprachbuch 3 | Seite 15
Die Busprobe erleichtert auch die syntaxbasierte Großschreibung, da das Nomen i. d. R. das letzte Glied einer Nominalgruppe ist.
  PASSWORT LUPE Sprachbuch 3 | Seite 53
Wir erweitern Sätze.
  PASSWORT LUPE Sprachbuch 3 | Seite 15
In der vierten Klasse kommt die Bestimmung der Satzglieder hinzu.
1. Das Prädikat wird identifiziert. (Ab Klasse 2 ist die Verbprobe eingeführt; hier ein Beispiel aus dem 3. Schuljahr) 
  PASSWORT LUPE Sprachbuch 3 | Seite 12
2. Wir identifizieren das Subjekt.
  PASSWORT LUPE Sprachbuch 4 | Seite 86                                            PASSWORT LUPE AH 4 | Seite 74
3. Vom Verb geforderte Verbergänzungen (Objekte) erkennen wir ebenfalls über die Verben „Der Hund sucht [den Knochen]“ und sie lassen sich so leicht erkennen, weil sie i. d. R. unverzichtbar sind.
  PASSWORT LUPE Sprachbuch 4 | Seite 88
4. Handelnd können wir Wortkarten in den Bus einfügen, umsetzen oder entnehmen. Dabei kann jeweils die Verständigkeit des Satzes überprüft werden. Schnell wird uns klar, welche Relevanz die einzelnen Satzteile haben. So können Adverbiale von Objekten unterschieden werden.
  PASSWORT LUPE Sprachbuch 4 | Seite 90
Um die traditionelle Satzgliedlehre mit ihren typischen, aber fehleranfälligen Identifikationsfragen im Sinne einer sprachwissenschaftlich korrekten funktionalen Satzgliedlehre zu überführen, hat PASSWORT LUPE das Konzept des Satzbusses entwickelt.
4. Welche Vorteile hat das Modell?

Fachperspektive: Es berücksichtigt die zentrale Stellung des Verbs und bindet das Subjekt als in Person und Numerus passendes Satzglied an. Es berücksichtigt, dass das Verb als „Dirigent“ des Satzes zuerst bestimmt werden muss, um die von ihm abhängigen Satzglieder zu erkennen und zu bestimmen. Es bietet ein Verfahren, Satzglieder zu identifizieren (Busprobe) und folgt dem Feldermodell (Verbzweitstellung/Verbklammer).

Schülerperspektive: Der Satzbus ist ein zugängliches Modell aus der Erfahrungswelt der Kinder. Er ist flexible und eröffnet Möglichkeiten, spielerisch zu erproben, wie sich Sätze bauen und verändern lassen. Die Grundstruktur ist einfach: Reiseleitung (2. Stelle im Satz) mit Sperrsitz hinten (für zweiteilige Verben) und Platz vor der Reiseleitung, der von unterschiedlichen Satzgliedern besetzt werden kann.

Lehrerperspektive: Es ist ein gutes Modell, um zielführend, erfolgreich und kindgerecht Satzstrukturen zu entdecken.


Ich hoffe, dass ich euch den Satzbus etwas näher bringen konnte, und wünsche euch viel Spaß mit PASSWORT LUPE. 


Liebe Grüße
Ursula