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Auf alle Fälle!

Der Umgang mit den vier Fällen stellt im Unterricht immer eine Herausforderung dar. In diesem Beitrag möchte ich zunächst die inhaltlichen Herausforderungen darstellen. Im Weiteren möchte ich darlegen und begründen, wie wir das Thema in Passwort Lupe 4 aufbereiten.

Was sind eigentlich die vier Fälle und wofür brauchen wir sie?


Laut Definition ist der Kasus dafür nötig, die Beziehungen der nominalen Bestandteile in Sätzen darzustellen. Am Beispiel Ein Mann beobachtet den Hund. kann durch die Verwendung des Nominativs (ein Mann) und durch den Akkusativ (den Hund) klargestellt werden, wer wen beobachtet. Werden die Wörter anders dekliniert, kann auch die Aussage verändert werden: Einen Mann (Akkusativ) beobachtet der Hund (Nominativ).

Der Kasus ist oft vom Verb (z.B. innerhalb der Verbgruppe [jmd. beobachten= Akkusativ + Verb]) oder von einer Präposition (z. B. innerhalb der Präpositionalgruppe [mit + Dativ]) bestimmt.

Im Satz Ich [Nominativ] schenke dir [Dativ] einen langen Schal [Akkusativ] mit bunten Fransen [Dativ]. wird deutlich: Der Kasus der Objekte wird hier vom Verb schenken regiert, der Dativ des Attributs mit langen Fransen wird von der Präposition mit bestimmt.

Methodisch wird das Ermitteln des Kasus im Grundschulkontext fast immer mit der Fragemethode vollzogen.

Fall Frage Phrase Satz
Nominativ Wer oder was? der Hund Der Hund bellt.
Genitiv Wessen? des Hundes Er nahm sich des Hundes an.
Dativ Wem? dem Hund Dem Hund geht es gut.
Akkusativ Wen oder was? den Hund Ich füttere den Hund.
Bespiel:
Ich sehe die Sendung.

Frage: Wen oder was sehe ich? die Sendung (hier: Akkusativobjekt)

Diese Frageprobe ist sprachwissenschaftlich recht stark umstritten.

1. Sie funktioniert nicht voraussetzungslos. Um zielführende Fragen stellen zu können, muss ich das Subjekt bereits identifiziert haben, denn ich brauche es – ebenso wie das Prädikat – für meine Frage.

2. Sie führt nicht immer zu eindeutigen Ergebnissen. Um im Satz Ich sehe die Sendung. zu ermitteln, um welches Objekt es sich handelt, muss die richtige Frage gestellt werden. Aber welches ist die richtige Frage? Das kann ich nur entscheiden, wenn ich aus dem Satz bereits herauslesen kann, dass ich Was siehst du? fragen muss. Also Nominativ? Aber da passt Wer siehst du? nicht. Oder Akkusativ, aber da passt Wen oder was siehst du? nicht. Die Frage Wem? führt jedenfalls komplett ins Leere oder zu falschen Ergebnissen. Das Dilemma, welches Ergebnis zur richtigen Antwort führt, bleibt bestehen.

3. Sie führt manchmal zu falschen Ergebnissen. Im Satz Kevin schläft auf der Matratze. [Subjekt, Prädikat, adverbiale Bestimmung des Ortes] kann mithilfe der Frageprobe Auf wem schläft Kevin? durch Übergeneralisierung und Automatisierung ein falsches Ergebnis ermittelt werden (präpositionales Dativobjekt). Es handelt sich aber eben nicht um ein solches, sondern um ein Adverbial des Ortes.
PASSWORT LUPE verzichtet auf Frageproben im Satzgefüge. Ziel ist es vielmehr, Zusammenhänge von Satzgefügen zu entdecken. Darum wird die Verbgruppe des Satzes in den Blick genommen und die Valenzgrammatik herangezogen. Die besagt, dass Verben unterschiedlich viele Leerstellen offerieren, die mit Satzteilen zu füllen sind. Prädikate verlangen „Mitspieler“: Entweder nur das Subjekt oder weitere Satzergänzungen.

Das Bestimmen des Kasus wird in PASSWORT LUPE im Satzkontext angebahnt und geübt.
Granzow-Emden1 empfiehlt, sich auf die sprachlichen Erscheinungen zu konzentrieren und die Fachtermini zunächst zu vermeiden (vergl. S. 254). Der Verzicht darauf kann „zu einer bewussten Aneignung dieser sprachlichen Erscheinungen beitragen“. Er setzt auf „bewusstes Hinschauen“ und „Herstellung von Analogien“ (ebd.). Er schlägt beispielsweise vor, die Lernenden überprüfen zu lassen, welche Strukturen in die Sätze passen und welche nicht:

Rotkäppchen begegnete dem Wolf/den Wolf.


oder

Rotkäppchen beschenkte dem Wolf/den Wolf. (vergl. S. 264)

PASSWORT LUPE richtet - der Empfehlung folgend - den Blick auf die Veränderbarkeit von nominalen Wörtern im Satzgefüge. Durch Beobachtungen anhand von geeignetem Wortmaterial können die Lernenden erfahren, dass Wörter in unterschiedlichem Gewand daherkommen und dass dies vom Prädikat des Satzes bestimmt wird.

Zunächst gilt es zu entdecken, dass sich die Artikel von Nomen ändern können: Manchmal heißt es der Detektiv, in einem anderen Fall dem Detektiv.
PASSWORT LUPE Sprachbuch 4, S. 14
Welcher Fall benötigt wird, wird vom Prädikat bestimmt: Das Verb sein braucht einen nominalen Mitspieler, der seinen lexikalischen Artikel mitbringt. Das Prädikat sehen verlangt eine Satzerweiterung im Akkusativ, das Verb begegnen verlangt eine Erweiterung im Dativ. Da die Verben, die einen Genitiv generieren, nicht dem Sprachgebrauch der Lernenden entstammen, hat PASSWORT LUPE hier ein Genitivattribut genutzt. Die Fälle sind der Häufigkeit der Verwendung nach sortiert und da der Genitiv-Fall ohnehin der seltenste ist, haben wir ihn an das Ende gesetzt.

Bei männlichen Nomen ändert sich der Artikel von Fall zu Fall zuverlässig (anders als bei weiblichen und sächlichen Nomen). Darum nutzt PASSWORT LUPE diesen Vorteil für die Analogiebildung mittels Referenzsätze.

Für die Fallprobe werden unterschiedliche, männliche Nomen in die Referenzsätze eingefügt. Dann kann anhand des Artikels erkannt werden, in welchem Kasus das Nomen verwendet wird. PASSWORT LUPE verzichtet also bewusst auf die Frageprobe und setzt vielmehr auf die Analogiebildung.
PASSWORT LUPE Sprachbuch 4, S. 14
Bei weiblichen, sächlichen oder Pluralnomen ist die Fallprobe leider nicht mehr eindeutig, da sich die Artikel nicht verlässlich ändern, sondern sich z. T. doppeln. Beispielsweise haben bei weiblichen Nomen der Nominativ und der Akkusativ den gleichen Artikel ebenso der Dativ und der Genitiv.
PASSWORT LUPE Sprachbuch 4, S. 15
Unsere Aufgaben sind darum so gestellt, dass die Lernenden zunächst durch Einsetzen Spracherfahrungen sammeln.
PASSWORT LUPE Sprachbuch 4, S. 14
PASSWORT LUPE Arbeitsheft 4, S. 14
Die Fallprobe wird darum ausdrücklich nur auf die männlichen Nomen beschränkt. Wer sich auskennt, kann hier auch die sogenannte Maskulin-Probe einführen. Sie funktioniert so, dass in jedem zu ermittelndem Fall (im Satz) ein maskulines Nomen eingesetzt wird (Ersatzprobe), um aus dem Artikel den Fall auslesen zu können: Ich erkenne die Katze. wird zu Ich erkenne den Hund. Und so kann der Akkusativ am Artikel erkannt werden. Hier muss man sicherlich abwägen, ob Lernende die Semantik des Satzes ausblenden können, um die Syntax zu analysieren oder nicht doch eher irritiert sind von solch gravierenden Änderungen im Satz.

Es ist klar, dass die vier Fälle ein schwieriges Thema für Grundschulkinder darstellt und für die meisten Kinder der Casus knacksus auch nicht eindeutig geklärt wird. Aber ich hoffe, dass meine Ausführungen inspirierend waren, selbst noch einmal über Sprache nachzudenken.

Literatur: M. Granzow-Emden. Deutsche Grammatik verstehen und unterrichten. Narr. 20193