Ernst von Seydlitz: Lebenslauf mit Bruch
Ernst Friedrich August von Seydlitz-Kurzbach wurde am 28. April 1784 als Sohn eines preußischen Majors im schlesischen Tschöplau, dem Gut des damals bekannten Sozialreformers Ernst Baron von Kottwitz geboren. Seine Eltern wie auch der befreundete Baron gehörten den Kreisen der Herrnhuter Brüdergemeine an, einer aus dem Pietismus hervorgegangenen Religionsgemeinschaft, die orientiert an dem urchristlichen Ideal der Brüderlichkeit eigene gemeindliche Formen des Zusammenlebens und -arbeitens wie auch eine weltweite Missionstätigkeit entwickelte.

Nach dem frühen Tod des Vaters (1796) schien sein Lebensweg im Dienste der Herrnhuter Gemeine vorgezeichnet gewesen zu sein: Nach dem Besuch verschiedener Schulen der Brüderunität absolvierte v. Seydlitz zwischen 1801 und 1804 das theologische Seminar von Niesky und das Prediger- und Lehrerseminar in Gnadenfeld (Oberschlesien). Stationen seiner Lehrerlaufbahn waren Neuwied am Rhein, erster Lehrer in Ebersdorf (Reuß/Thüringen) und 1815 wieder Gnadenfeld, nun als Mitinspektor der dortigen Schulanstalten. 1819 wurde er als Direktor ("Inspektor") der Erziehungsanstalten nach Gnadenfrei berufen.

Die Beendigung seiner 28-jährigen pädagogischen Arbeit für die Brüdergemeine "geschah in einer beschämenden und würdelosen Weise" (G. Philipp). Seydlitz wurde gezwungen, seine Stellung aufzugeben. Er allein wurde verantwortlich gemacht für sich lange abzeichnende finanzielle Probleme vor allem der weitgehend erfolglosen Knabenanstalt, die dem Konkurrenzdruck des sich entwickelnden staatlichen höheren Schulwesens ausgesetzt war. Hinzu kamen Konflikte mit der Vorsteherin der Mädchenanstalt, denen eine unklare Kompetenzverteilung zu Grunde lag.

1832 verließ v. Seydlitz Gnadenfrei, blieb aber Mitglied der Brüderunität. Verschiedene Versuche, sich als Gutsbesitzer zu etablieren, scheiterten. Seine vier Söhne folgten wieder der Familientradition und schlugen die Offizierslaufbahn ein. Ernst von Seydlitz starb am 18. Mai 1849 in Breslau. In Gnadenfrei, heute das polnische Piława Górna, erfuhr der einstige Schuldirektor 1907 eine späte Rehabilitation: Die neu erbaute Mädchenschule erhielt nun seinen Namen.
Silhouette aus seiner Schulzeit
Quelle: Unitätsarchiv Herrnhut

Ansicht von Gnadenfrei, um 1795
Quelle: Unitätsarchiv Herrnhut

Die Mädchenanstalt von Gnadenfrei, um 1850
Quelle: Unitätsarchiv Herrnhut